,,… über sieben Stufen musst Du gehn …“, dann kommst Du [frei nach Karat und rechts im Bild] auf eine Brache an der mittleren Eisenbahnstraße. Eingeweihte Anwohner wissen, wovon ich spreche. Für alle anderen: die Brache liegt stadtauswärts auf der linken Seite der Eisenbahnstraße zwischen Elisabeth- und Idastraße. Die gesamte Fläche der Brache (Flurstücke Volkmarsdorf 359 und 359 a) liegt heute als eigenartige Häuserlücke bis zu 1 1/2 Meter über Straßenniveau.
Was ist das für eine eigenartige erhöhte Häuserlücke in der Eisenbahnstraße? – Das hatten wir uns auch schon gefragt, als wir Mitte der 1970er Jahre beim abendlichen Schaufensterbummel in der früheren Ernst-Thälmann-Straße dort vorbei gekommen sind …
1. vollendete Gegenwart
Ich kann mich dunkel dran erinnern, dass auf der fraglichen Brachen-Fläche Mitte der 1970er Jahre noch ein villenähnliches Gebäude auf dem linken Grundstück (Hausnummer 103) gestanden hatte. In einer Bebauungsstudie für die ab 1978 vorgesehene Modernisierung der Volkmarsdorfer Wohnhäuser rings um die Ernst-Thälmann-Straße ist dort noch ein Haus zu sehen. Ansatzweise sind in dieser Studie auch die Treppen (zur heutigen Brache) zu erkennen. [Quelle #1]
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Allerdings hat die geplante Sanierung und Modernisierung des gesamten Wohngebietes nicht so richtig stattgefunden. Das lag sicher auch an der Differenz zwischen Planung und Umsetzung, Parteitagsbeschlüssen und den Möglichkeiten im realen Alltags-Sozialismus der DDR. Zuerst waren wir als Einwohner noch optimistisch gestimmt, dann wurde schnell klar, dass der Umfang der Sanierung und Modernisierung immer mehr reduziert werden musste. Aus Modernisierung wurde zum großen Teil nur ,,Aktion Dächerdicht!“, also keine modernen Heizungsanlagen, IWC und Bäder für die Einwohner an der Eisenbahnstraße. Offiziell wurde der Slogan ,,Trocken, Sicher und Warm“ ausgegeben – das war’s. Es mangelte am Personal, Material und dem Fachwissen zur Gebäudesanierung. Und schließlich gab es da auch noch die Hauptstadt der DDR Berlin – dort sollte beispielhaft modernisiert und saniert werden. Da blieben für uns in Bezirksstädten wie Leipzig nur geringe Chancen für die Verbesserung der Wohnsituation.
Wann dieses Gebäude Nr. 103 an der Ernst-Thälmann-Straße [bzw. Eisenbahnstraße] abgerissen wurde, weiß ich nicht. Ein Blick in das sonst oft umstrittene Google-StreetView zeigt, dass im September 2008 (Bild links) auf dem Brache-Grundstück kein Haus mehr gestanden hatte – dazu das aktuelle Vergleichsbild vom Spätherbst des Jahres 2018 (rechts).
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Aus dem KREUZER vom Frühjahr dieses Jahres habe ich entnommen, dass die bisherige Eigentümerin der Brache, eine ältere Dame, verstorben war. Weil sie aber keine Erben hatte, ging das Grundstück in den Besitz des Landes Baden-Württemberg über. Daher wurde im Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße Mitte März 2018 die Versteigerung der beiden Flurstücke angesetzt. Wer das ganze Prozedere drüber lesen will und wer erfahren möchte wie das ,,Ländle“ Baden-Württemberg zu einer Millionen Euro kam, Khaled Khalifa von der k.h. Immobilien GmbH zu den Grundstücken und die Stadt Leipzig zu einer Null-Nummer kam, der kann das unter der Quellenangabe gern mal nachlesen. [Quelle #2]
Die Brache war bisher, vor allem im Sommer, Treffpunkt von Leuten, die in der Nähe wohnen, gerne Tischtennis spielen oder einfach rumhängen wollen, ohne dabei irgendwas kaufen zu müssen. Bevor die Gegenwart vollständig vollendet wird – habe ich schon mal als kleine Erinnerung ein möglicherweise letztes Brachen-Panorama mit meinem Bildbearbeitungsprogramm (PSE) zusammengebastelt:
2. Ausflug in die Vergangenheit
Für einen Folgebeitrag ,,Die Brache (2)“ bleiben noch die Fragen: welche Bewandtnis hat es mit dem eigenartigen Grundstück und wem gehörte das eigentlich?
Dazu werde ich meine alten Stadtpläne und Karten zu Rate ziehen sowie online an der SLUB in den Leipziger Adressbüchern recherchieren.
Ich kann vorerst nur verraten – es wird sehr interessant!
Literatur- und Quellenverzeichnis:
Quelle #1: Zeitschrift ,,Architektur der DDR“, Heft 6/1977, S. 349-350
Quelle #2: Beitrag aus KREUZER Leipzig, online: https://kreuzer-leipzig.de/2018/03/29/eintausend-mehr/
Vielen Dank für diesen und die anderen interessanten Berichte aus 2018 und ein „neues Jahr“ wünsche ich Dir 🙂
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Ich war zu DDR Zeiten Bauleiterin im VE Kombinat für Baureparaturen Leipzig und im Leipziger Osten tätig. In der Villa Eisenbahnstrasse 103 war für mehrere Jahre die Bauleitung untergebracht. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten in Volkmarsdorf und Auszug der KBR Bauleitung war dort die Unterbringung eines Kindergarten geplant. Der Abbruch erfolgte meines Wissens nach der Wende über den HAG Stadt, die anschließende Spielplatzgestaltung wurde durch Fördermittel finanziert. Somit muss das Grundstück zum damaligen Zeitpunkt bis zur Eigentumsklärung noch in der Verwaltung der Stadt gewesen sein. Ich möchte noch bemerken,dass die damalige DDR Sanierung der Wohnungen zwar ohne Heizung erfolgte, aber jede Wohnung mit einem Bad mit IWC ausgestattet wurde und die Aussen WC im Treppenhaus als Abstellräume zurückgebaut wurden.
Da Volkmarsdorf Gasvoranggebiet war, konnten fast alle Bäder mit WG 250 und Gamat 3000 ausgestattet werden. Also warmes Wasser für Bad und Küche und mindesten eine Gasheizung im Bad (manchmal zusätzlich auch in der Küche), ansonsten Kachelofenluftheizung und Berliner Öfen bzw. Badeofen. Für die DDR war dass das ein Top Austattung. Diese Wohnungen sind heute noch bei jungen Leuten sehr beliebt. Die Konradstrasse 58A ( Bube ) ist noch als eines der letzten Häuser im Originalzustand einer DDR Sanierung in diesem Gebiet. Ab 1986 war ich bei der jetzigen LWB bis zu meinem Renteneintritt für die Wohnungsbestände im „wilden Osten“ zuständig.Keiner meiner Kollegen wollte weder zu DDR Zeiten noch nach der Wende aufgrund von unberechtigten Vorurteilen diese Bestände ( Volkmarsdorf, Neustadt -Neuschönefeld, Anger Crottendorf, Innere Ostvorstadt usw.) als Geschäftsstellenleiter übernehmen. Ich habe dort 30 Jahre gewirkt und liebe den Leipziger Osten mit seinem vielseitigen Gebäudebestand und seine Menschen mit all ihren Besonderheiten.
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Vielen Dank für die ausführliche Zuschrift als Zeitzeugin.
Wir hatten damals gehofft, dass unsere Häuser in L.-Neustadt auch saniert würden. Leider gab es dann ,,nur“ Maßnahmen für ,,Trocken, Sicher und Warm“ – damit hat sich nicht viel getan: keine Doppelfenster, keine Gasheizung, kein Bad, kein IWC …
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