
In dieser kleinen Geschichte geht es im Prinzip um ein Schloss und die dazugehörigen Schlüssel, deshalb hier rechts ein symbolisches Bild.
Zusätzlich geht es um verstreuten ländlichen Grundbesitz, um alte Wegerechte und Verkehrseinschränkungen.
Dabei ist vieles heute relativ unbekannt und überraschend, bis auf das Thema mit den Verkehrseinschränkungen – heute wäre man eher verwundert, wenn es keine mehr gäbe …
Im Jahr 1752 war Caspar Egler Besitzer des Gutes mit der Parzellennummer 14 im Dorf Anger, östlich von Leipzig. Zu dieser Zeit hatte das Gut insgesamt eine Größe von 24,5 Sächsischen Acker (etwa 13,5 ha).
Zum Gut, damals wahrscheinlich unter dem Namen ,,Großer Kohlgarten“, gehörten außer den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden auch ein Garten, drei Acker an Kohlstücken und Rodeländern, 21 Acker Feld und 1/2 Acker Wiese. [Quellen #1 und #2]
Wie muss man sich das heute vorstellen? Die beiden Dörfer Anger und Crottendorf waren Mitte des 18. Jahrhunderts noch relativ klein und überschaubar. Im Westen grenzte Anger an Reudnitz mit seinen Feldern und Kohlgärten und im Norden, hinter dem Flüßchen Rietzschke, an Volkmarsdorf.
Die Nutzflächen des Egler’schen Guts lagen zum Teil auch in den benachbarten Dörfern Reudnitz und Crottendorf.
Auf der Fläche von Crottendorf lagen die sogenannten Rodeländer des Guts, zu denen Caspar Egler von seinem Gutshof auf dem kürzesten Wege über die ,,große grüne Gasse“ gelangen konnte.
Welche unangenehme Überraschung, als er im Frühling des Jahres 1752 feststellen musste, dass die Zufahrt über den Weg nach Crottendorf plötzlich mit einem Schlagbaum abgesperrt worden war und der Schlagbaum darüber hinaus auch noch mit einem Schloss versehen worden war – ein Skandal ohnegleichen!
Ich habe das Ganze mal in einer kleinen Skizze ohne Gewähr auf korrekte und tatsächliche Gegebenheiten hier links mit fiktiver ,Schranke‘ dargestellt.
Diese ,Verkehrssperrung‘ ließ Capar Egler nicht auf sich sitzen, sondern er klagte gegen die Gemeinde Crottendorf vor dem Leipziger Landgericht, der ,,Landstube“ und dieser Klage haben wir es zu verdanken, dass die ganze Geschichte der Nachwelt (und uns) erhalten blieb – dort heißt es:
Den 11. April 1752.
Erscheinet bey der Land-Stube zu Leipzig Caspar Egler, Kläger, … Tobias Müller, und Gottfried Feilotter, Nachbare daselbst, von sich und wegen ihrer übrigen MitNachbarn zu Crottendorf cumfantione rati, Beklagte, und bringen beyde Theile an, wasmaßen sie des vorjezo streitig gewesenen Weges und Durchfarth halber, durch die mittlere sogenannte grüne Gaße, welche durch die Crottendörffer Rodeländer oder Gärten gehet … [Quelle #3 in Original-Rechtschreibung des Jahres 1752]
Alles Verstanden? Also, Egler und seine benachbarten Bauerngüter-Besitzer (Nachbarn) aus dem Dorf Anger verklagte die Gemeinde und Bauern von Crottendorf (MitNachbarn) wegen der Verweigerung der angestammten Wegerechte, um zu ihren Ländereien auf Crottendorfer Gebiet zu kommen.
Das Gericht entschied daraufhin wie folgt:
nunmehro von Grund aus folgendergestalt mit einander sicherer glichen hätten:
# 1.) Sollte der Weg und die Durchfarth durch die beschriebene Grüne Gaße Eglern und deßen Guths-Pachter, auch dessen Nachkommen am Guthe zu allen Zeiten frey und ungehindert nachgelaßen seyn, und derselbe oder die Seinigen auf einen andern Weg von der Crottendörffer Gemeinde nicht gewiesen werden.
# 2.) Sollte der Schlüßel zu dem vor sothanen Fahrweg gemachten Schlag-Baum sogleich und ohne Anstand dem Eglerischen Guths-Pachter ausgehändiget werden.
# 3.) Wollte die Crottendörffer Gemeinde den Weg so offt es nöthig, beßern laßen, so offt es von nöthen, und daferne sie selbigen durch verabsäumte Reparaturen allzusehr verwildern und zur Durchfahrt unbrauchbar werden ließe, sollte nicht allein der von Eglern, nachher bewilligte 1. Thr. hinweg fallen, sondern es sollte auch die Gemeinde, wenn dißfalls Besichtigungsund Prozeß-Kosten veranlaßet, und sodann der Fahrweg unbrauchbar befunden würde, sothane Kosten gändzlich alleine tragen dahingegen …
# 4.) verwilliget Egler der Gemeinde zu Crottendorf vor die ihm nunmehro verstattete ungehinderte Durchfarth und Erhaltung des Weges in tüchtigen Stande, jährlich Einen Thaler an Gelde, und entrichtet den von jezigen Monat April 1752. biß dahin 1753. gefälligen Thaler gegen Empfang des Schlüßels zum Schlag-Baume, pronumerando baar, hingegen 1754. den 17. April den zweyten Thaler, und die übrigen Thaler alljährl. an jeztbemelten Tage.
# 5.) Wenn die Gemeinde beßert, will Egler allemahl mit seinem Schiff und Geschirr gleich denen Crottendorffer Nachbarn die Fuhren mit verrichten laßen,
# 6.) jedoch verstehet er sich zu nicht dem geringsten Beytrag an Schutt, Holz oder anderen Materialien und dazu erforderlichen Kosten, als wovor der jährl. 1 Th. zugestanden worden,
# 7.) die in gegenwärtiger Sache aufgelauffenen Gerichts-Gebühren tragen beyde Theile pro rata. [Quelle #3 in Original-Rechtschreibung des Jahres 1752]
Kurz gesagt: Caspar Egler und die Bauern vom Dorf Anger bekamen per Urteil das Wegerecht zurecht wieder zugesprochen, mussten sich aber an den Ausbesserungen und Reparaturen des Weges (der grünen Gasse) beteiligen. In die Gerichtskosten mussten sich beide Parteien teilen.
Die Position des Schag-Baumes (der Schranke) habe ich unten links in der Skizze dargestellt. Daraus wird ersichtlich, dass die Ortsgrenze zwischen Anger und Crottendorf die ,,große grüne Gasse“ (nach Crottendorf) damals diesen Weg querte, während auf der ,,kleinen grüne Gasse“ (nach Sellerhausen) die Ortsgrenze mittig verlief. Das konnte in der Tat missgedeutet werden.
Auf dem Bild oben rechts ist die heutige Straßensituation im Leipziger Osten vergleichsweise zu entnehmen.
Demnach lauten die alten zu neuen Wege-/ Straßenbezeichnungen wie folgt:
Chaussee-Straße (nach Wurzen) – Wurzner Straße,
Hauptstraße (Anger) – Breite Straße,
kleine grüne Gasse (nach Sellerhausen) – Bernhardstraße und
große grüne Gasse – Grüne Gasse
Literatur- und Quellenangaben
Literatur
eigene Blog-Beitrag:
dreÿ Mohren (1), vom Februar 2022
Lageskizzen:
# Anger und Crottendorf (nach Sächsischer Meilenkarte, Berliner Ausgabe um 1800),
# Anger mit Grüner Gasse (nach Plan A. F. Hänel aus dem Jahr 1837) und
# fantasiereiche Situationsskizze zum Abzweig von Anger an der Grünen Gasse nach Crottendorf
aus eigenem Bestand
Foto aus eigenem Bestand
Ausschnitt aus OpenStreetMap-Karte vom Leipziger Osten, vom Februar 2022
Quellenangaben
Quelle #1: Leipziger Zeitung vom Samstag, den 9. October 1830, ,,Subhastation: Gut, unter dem Namen ,,der drei Mohren“, wozu außer den Wohn- und Wirthschaftsgebäuden, Garten, 3 Acker an Kohlstücken und Rodeländern, 21 Acker Feld und 1/2 Acker Wiese gehören„
Quelle #2: Alte Maße und Gewichte (Sachsen), Übergang zum metrischen System, Flächenmaße, Sächsischer Acker, online hier
Erläuterung: 1 Sächsischer Acker = 2 sächs. Morgen = 300 Quadrat-Feldmesserrute ≈ 5.534,232 m² (Rute zu 182 Zoll) in Summe 24,5 Sächsische Acker ≈ 135.589 m², also etwa 13,5 Hektar
Quelle #3: Stadtarchiv Leipzig, Landstube, Akten Nr. 5868: ,,Acta Caspar Egler alhier contra die Gemeinde zu Crotendorff (einen durch die grüne Gaße gehenden Weg betr.),
Ergangen beÿ der Land-Stube zu Leipzig, Anno 1752 /72„
persönliche Mitteilungen
Für die Hilfe und Unterstützung beim Studium und Entzifferung der alten Leipziger Gerichtsakte danke ich Frank Heinrich.