Früher waren mehr blaue Schilder!
Zumindest, was die kleinen blau-emaillierten Blechschilder links oben an vielen Haustüren betraf: z.B. Nst. Abt. 61 oder N. Abt.27 – was bedeutet das?Mittlerweile gibt es nicht mehr viele davon und deshalb will ich versuchen der Sache hier und jetzt mal auf den Grund gehen.
1. Die sächsischen Brandkatasternummern
In Sachsen gehen die Brandkatasternummern auf die 1784 gegründete Landesimmobiliar-Brandversicherungsanstalt für das Feuerversicherungswesens zurück. Seit 1835 verwaltete die dem Ministerium des Innern unterstellte Brandversicherungskommission das Brandversicherungswesen. In diesen Verordnungen wurde u.a. verfügt, dass alle Gebäude mit dem Namen der Besitzer und dem Versicherungswert aufzulisten und in ein Kataster einzutragen sind, Catastrirungsverfahren genannt.
Da die Brandkatasternummern fortlaufend vergeben wurden, kann man heute noch grob aus der Höhe der Nummer schließen, welches Haus älter oder jünger als ein anderes ist. Nötigenfalls bekamen die Gebäude bei Teilungen einen Buchstabenzusatz zur Nummer.
Für das Gebiet von L.-Neustadt war die Revision der Brandversicherung von 1862 ausschlaggebend, weil die ersten Häuser erst um 1865/66 gebaut wurden. Im § 56 des Gesetzes von 1862 wurde bestimmt, wie die Brandkatasternummern an den Gebäuden anzubringen sind: ,,An dem Hauptgebäude eines jeden Grundstücks ist auch ferner, wie bisher, diejenige Nummer, welche es im Brandversicherungscataster führt, auf eine vor dem geschlossenen Gehöfte sichtbare Weise oberhalb des Hauptzugangs anzubringen.“ Die Größe der Brandkataster-Schilder wurde in Leipzig, soweit mir bekannt, auf 11 cm x 14 cm (Höhe x Breite) festgelegt.
2. Brandkataster-Nummern im Neustädter Gebiet
In dem Beitrag über die Neustädter Straßen wurde bereits ausgeführt, dass in der ersten Zeit der Ortsentwicklung alle Häuser nach ihrer Brand-Kataster-Nummer bezeichnet wurden, so dass es zum Beispiel auch eine Marktstraße 105 oder eine Hauptstraße 1 gab. Letztere Nr. 1 war tatsächlich das erste auf dem Neustädter Gebiet gebaute Haus, später Neustädter Straße 20 (im Jahr 1992 eingestürzt).
Diese erste Haus-Nummerierung galt in den Jahren von 1866 bis 1879.
Ab dem Jahr 1880 wurde dann die Häuser straßenweise durchnummeriert: links beginnend, fortlaufend bis zum Straßenende und dann auf der rechten Straßenseite zurück.
Woher könnte die Abkürzung ,,N.Abt.“ bzw. ,,Nst.Abt.“ in der oberen Zeile kommen? Von 1866 bis 1880 hieß das aufstrebende Wohngebiet ,,Schönefeld, Neuer Anbau“ – bei alten Gebäuden, so vermute ich, könnten das ,,N.“ noch von ,,Neuer Anbau“ stammen. Nach 1881 galt die Bezeichnung der selbständigen Gemeinde ,,Neustadt bei Leipzig“ mit ,,Nst.“. Die gefundenen ,,N.Abt.“-Schilder stammen alle noch von vor 1881 gebauten Häusern – das könnte also vielleicht stimmen …
3. Häuser in L.-Neustadt mit Brandkataster-Schildern
Nach 1990 haben sich viele Häuser des Stadtteils verändert: ein großer Teil wurde (glücklicherweise) saniert, ein Teil wurde abgerissen, aber manche sind heute noch ungeklärte Ruinen …
Von den heute noch etwa 290 Häusern des ehemaligen Stadtteils Leipzig-Neustadt habe ich Ende Februar nur noch neun Häuser entdeckt, an denen noch die kleinen blauen Emailschilder mit der Brandkataster-Nummer zu sehen sind und zwar folgende:
BKN (Brandkataster-Nummer) 16D,
Ludwigstraße 64
Das Haus wurde etwa 1893 gebaut.
Es ist momentan nicht bewohnt.
Das Haus steht nicht unter Denkmalsschutz.
BKN 20,
Ludwigstraße 71
Das Haus wurde etwa 1875 gebaut.
Es ist momentan nicht bewohnt.
Das Haus steht nicht unter Denkmalsschutz.
BKN 27,
Ludwigstraße 45
Das Haus wurde 1873 gebaut, hat eine Putzfassade und eine Haustür mit farbig verglastem Oberlicht.
Es ist momentan nicht bewohnt.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293331 geführt.
BKN 50,
Neustädter Straße 30
Das Eckhaus wurde 1870 gebaut, Mietshaus mit Original-Haustür besteht aus zwei Gebäuden – seitlicher Anbau etwa aus dem Jahr 1900.
Es ist momentan nicht bewohnt.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293542 geführt.
BKN 61,
Meißner Straße 9
Das Haus wurde 1872 gebaut, Mietshaus mit Putzfassade und originaler Ladenfront.
Das Haus ist bewohnt.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293516 geführt.
BKN 77,
Schulze-Delitzsch-Straße 23
Das Schulhaus wurde 1878 als 18. Bezirksschule eröffnet, Katasterschild befindet sich am Seitengebäude, das etwa 1896 gebaut wurde.
Momentan Wilhelm-Wander-Grundschule.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293251 geführt.
BKN 200C,
Einertstraße 7
Das Haus wurde 1898 als Mietshaus mit Klinkerfassade gebaut.
Das Haus ist bewohnt.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293489 geführt.
BKN 212,
Ludwigstraße 9
Das Haus wurde 1895 als Mietshaus mit Klinkerfassade gebaut.
Es ist momentan nicht bewohnt.
In der sächsischen Liste der Kulturdenkmale wird es unter der Objekt-ID 09293312 geführt.
BKN 243, das Schild sieht etwas anders aus als die anderen entdeckten – mit der oberen Zeile ,,Kat. Abt“ (ohne Ortsbezug) und (neuerem) Schrifttyp wurde es vermutlich zu späterer Zeit angebracht
Eisenbahnstraße 13
Das Haus wurde 1889 als Mietshaus mit Putzfassade gebaut. Zugang über den Durchgang zum Innenhof. Das Haus ist bewohnt, es steht nicht unter Denkmalsschutz.
Anmerkung: am 14.03.2016 habe ich noch ein weiteres entdecktes Haus mit Brandkatasternummer 243 (Eisenbahnstraße 13, ergänzt. Das BKN-Schild war etwas unüblich bei der Sanierung seitlich vom Hoftor-Eingang im Putz eingelassen worden, siehe Fotos.
Anschließend noch eine Bilder-Galerie mit aktuellen Haustüren und Straßenansichten: