In einem mir vorliegenden Zeitungsartikel aus Leipzig heißt es:
,,das Wirtschaftsamt hat jetzt die Möglichkeit geschaffen, daß der Tabakkleinpflanzer seinen selbst angebauten Tabak gegen Fertigfabrikat umtauschen kann.“
Als Ankaufstelle von dachreifem Kleinpflanzer-Tabak wird auch eine Fa. Rößger & Neumann, vertreten durch Herrn Heinrich Kresselt, in der Neustädter Ludwigstraße 4 genannt.
Alles starker Tobak oder wie oder wer?
1. Ein Zeitungsausschnitt
Das Zitat stammt aus einem Zeitungsartikel, der im Oktober vor 72 Jahren erschienen war. Da ging es nicht um ,,Gras“, Haschisch, oder andere berauschende Modedrogen. Nein, es ging damals unmittelbar nach den Krieg im Herbst 1945 schlicht um die Möglichkeit, zu irgendwelchen (bezahlbaren und rauchbaren) Zigaretten zu kommen.
Zur Erläuterung der historischen Umstände habe ich hier den etwas gekürzten Zeitungsausschnitt aus dem Leipziger Informationsblatt vom 20. Oktober 1945 eingefügt:
Wenn man also mehr als 2 kg richtig gereifte und ordentlich getrocknete Tabakblätter zur Ankaufstelle, z. B. zu Rößger & Naumann, brachte, dann konnte man legal den selbst angebauten Tabak gegen ,,Fertigfabrikat“, also Zigaretten, umtauschen. Was war das für eine Firma Rößger & Naumann, die Ankaufstelle in der Ludwigstraße 4?
2. Die Rohtabakhandlung
Die Rohtabakhandlung von Rößger & Neumann habe ich im Handelsregister des Leipziger Adressbuchs (LAB) erstmals im Band für das Jahr 1912 entdeckt. Diese Firma muss also zumindest Ende des Jahres 1911 bereits bestanden haben. Als Inhaber sind die Firmengründer Clemens Max Rößger und Georg Richard Neumann benannt.
Im Handelsregister des LAB von 1920 ist diese Firma unter der Bezeichnung Rößger & Neumann Nachf. in der Ludwigstraße 10 in Leipzig-Neustadt verzeichnet. Als Inhaber werden Max Reinhard Crasselt und Louis Paul Große genannt, ab 1922 nur noch Max Reinhard Crasselt.
Wie man den Einträgen aus dem LAB entnehmen kann, war Herr Crasselt Eigentümer der Häuser Ludwigstraße 4 und 10, wohnte selbst in der Nr. 4, die gegenüber der Zigarrenfabrik von Dathmann-Vernhalm & Schmidt (Ludwigstraße 1) lag. Ob die beiden Firmen in Geschäftsbeziehungen standen konnte ich nicht nachvollziehen – in der Literatur habe ich keine Nachweise dazu gefunden.
![]() |
![]() |
Im Dezember 1943 wurden die gegenüberliegenden Gebäude Ludwigstraße Nr. 1 / Nr. 4, 6 und 8 beim größten britischen Bombenangriff auf Leipzig teilzertört. Die Nr. 4 muss aber im Oktober 1945 noch teilbewohnt gewesen sein, weil diese Anschrift als Tabak-Ankaufstelle unter dem Namen Heinrich Krasselt (Crasselt? – vielleicht ein Sohn des früheren Firmeninhabers) im oben gezeigten Zeitungsartikel genannt wurde.
In den letzten Adressbüchern der Jahre 1947 bis 49 wurden weder die Fa. Rößger & Neumann noch eine Tabakhandlung in der Ludwigstraße erwähnt – da gab es diese Firma nicht mehr.
Heute ist nur noch das Haus Ludwigstraße 10 erhalten. Das im Jahr 1898 in geschlossener Bauweise errichtete Mietshaus wird sogar in der sächsischen Liste der Kulturdenkmäler unter der ID 09293313 genannt.