
Auf dem ehemaligen Werksgelände der Leipzig-Reudnitzer Maschinenfabrik siedelten sich Anfang der 1880er Jahre bald eine Vielzahl neuer Unternehmen an.
Auf der größten Fläche siedelte sich von 1878 bis 1937 die erfolgreiche Maschinenfabrik von Bachmann & Reiter an.
Interessant in diesem Zusammenhang sind nicht nur das Portfolio und die Medaillen, sondern in diesem besonderen Fall auch die ursprünglichen Gründer und der Niedergang dieser Firma.
Darüber mehr im folgenden Beitrag …
Bachmann, E.
& Reiter
Maschinenfabrik
1. Die Gründer
Im Handelsregister des Amtgerichts Leipzig stehen zur Firmengründung von E. Bachmann & Reiter unter Folium 144 folgende Einträge [Quelle #1]:

Also: ein erster Inhaber der neuen Firma war demnach 1878 E. Bachmann und 4 1/2 Jahre später kam als Mitinhaber Herr Reiter dazu.
Wer waren diese beiden Inhaber?
Mithilfe des Adressbuchs der Leipziger Vororte aus dem Jahr 1880 läßt sich das noch etwas genauer angeben:
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Eduard Bernhard Bachmann wohnte mit Stand Ende 1879 in der Kohlgartenstr. 9, einem Haus, das damals als Eigentümer der Leipzig-Reudnitzer Maschinenfabrik gehörte. Als ,Werkmeister‘ hatte er offenbar eine verantwortliche Position inne. Zur Firmengründung war er 48 Jahre alt.
Zu E. Bachmann habe ich noch einen interessanten Artikel zu einer frühen Patentanmeldung aus dem Jahr 1878 gefunden. Dabei geht es um einen ,Funkenlöschapparat für Locomotiven und Locomobile‚.
Richard Hermann Reiter läßt sich nicht so einfach im Adressbuch des Jahres 1880 finden; er wohnte damals noch zu Hause bei seinen Eltern in der Kohlgartenstr. 14, der ,Villa Reiter‘. Im Handelsregister wird er als Kaufmann in Reudnitz bezeichnet. Zur Firmengründung (E.B.&R.) war er 28 Jahre alt.
Sein Vater, Conrad Reiter, war in der Zeit von 1872 bis 1877 einer der vier Vorstands-Mitglieder der Actiengesellschaft der Leipzig-Reudnitzer Maschinenfabrik gewesen.
Beide ,neuen‘ Firmeninhaber hatten also schon einen persönlichen Bezug zur Vorgänger-Firma gehabt: Bachmann mehr technischer und Reiter (Jr.) kaufmännischer Natur.
Anmerkung zu den alten Adressangaben: die damalige Nummerierung der Häuser an der Kohlgartenstraße begann mit dem Haus Nr. 1 an der (damaligen) Tauchaer Str. und erfolgte fortlaufend bis zur Dresdner Chaussee auf der linken Seite hin und der rechten zurück. So entsprach die frühere Nr. 9 (Bachmann) der späteren Nr. 17 a und die Nr. 14 (Reiter) etwa dem Grundstück der heutigen Nr. 31. [Quellen #1 – 4]
2. etablierte Maschinenfabrik
Im Adressbuch (Bild links) und dem Leipziger Tageblatt erscheinen ab 1888 auch erste Anzeigen der Firma E. Bachmann & Reiter:
Der Vergleich dieser Anzeigen mit der Vorgängerfirma (Leipzig-Reudnitzer Maschinenfabrik) zeigt, dass neben dem landwirthschaftlichen und gewerblichen Maschinen-Portfolio auch Mühlenbau, Kesselschmiede, Dampfhammer und Apparatebau für chemische Fabriken hinzugekommen sind.
Dem Leipziger Adressbuch des Jahres 1889 kann man auch Neuigkeiten zu den beiden Firmen-Inhabern entnehmen:
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Eduard Bachmann ist inzwischen in das neue Eckhaus Melanchthonstr. 3 umgezogen (heute: Nr. 6) und wohnt dort repräsentativ in der ersten Etage, mit direktem Blick auf die Firmeneinfahrt gegenüber.
Richard Reiter wird jetzt als Fabrikmitbesitzer extra neben seinem Vater in der ,Villa Reiter‘ an der Kohlgartenstraße hervorgehoben.
Im Folgenden noch Ausschnitte aus Adressbüchern, einmal dem von industriellen Firmen der Leipziger Umgegend aus dem Jahr 1894 und zum Anderen dem der Stadt Leipzig aus dem Jahr 1895:
Der Anzeige auf der linken Seite ist zu entnehmen, dass die Maschinenfabrik inzwischen etwa 100 Arbeiter beschäftigt und eine Dampfmaschine mit 25 PS besitzt (oben im Text als Pfk. – Pferdekraft bezeichnet). Die Anzeige auf der rechten Seite bezieht sich auf eine Änderung im Handelsregister der Firma – ab Januar 1894 ist Wilhelm Otto Bachmann, ein Sohn des Inhabers, zusätzlich als Prokurist eingetragen worden. Und wenn man genau hinschaut: die Straßen-Nummerierung der Lutherstraße wurde offenbar geändert. Im Jahr 1894 galt noch die (fortlaufende) alte Nr. 9, ein Jahr später auf der ,geraden‘ Straßenseite für das gleiche Grundstück der Maschinenfabrik die Nr. 6!
Im Jahr 1897 fand in Leipzig die große ,Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung‘ statt. Im großen Ausstellungskatalog durfte natürlich ein Inserat der Maschinenfabrik von E. Bachmann & Reiter nicht fehlen. Und dem ,Kleingedruckten‘ kann man entnehmen, dass die Firma nicht auf dem Ausstellungsgelände präsent war, aber ,Interessenten zur Besichtigung ihrer Fabrik‘ einlud. [Quelle #6]
Aus diesem Zeitraum könnte auch die seit 1898/99 in Firmen-Inseraten gezeigte ,König-Albert-Medaille in Gold für gewerbliche Verdienste‘ stammen.

Innerhalb von nur 4 Monaten verstarben im Jahr 1905 beide Inhaber der Firma E. Bachmann & Reiter. Der von seinen Arbeitern hochgeschätzte Begründer, Seniorchef und Prinzipal Eduard Bernhard Bachmann war bis zu seinem 75. Lebensjahr rastlos für die Firma tätig.
Der Kaufmann Hermann Richard Reiter verstarb kurz darauf, wie es hieß, nach langem schweren Leiden. Er wurde nur 48 Jahre alt und für den Prokuristen Otto Bachmann (rechte Traueranzeige) galt es nach möglichst kurzer Übergangsfrist eine neue Leitung zu etablieren. Erst im Mai 1907 wurde die Firmenleitung neu geordnet. Die Inhaber kamen jetzt aus der Familie Bachmann:
- Ingenieur Wilhelm Otto Bachmann (Wohnung: L-Reudnitz, Melanchthonstr. 6 I) und
- Ingenieur Carl Friedrich Bachmann (Wohnung: L-Neustadt, Eisenbahnstr. 17 II).
- Prokura wurde dem Kaufmann Christoph August Braunsdorf in Leipzig erteilt.
Auf dem folgenden Stadtplanausschnitt mit dem Stand Juli 1907 habe ich die in der Lutherstraße angesiedelten Firmen farblich hervorgehoben:
- Nr. 4: Buchbinderei-Maschinenfabrik August Fomm (blau eingefärbt), an der Rückseite der Firma (Kohlgartenstr. 5) gelegene Hofeinfahrt,
- Nr. 6: Maschinenfabrik E. Bachmann & Reiter (gelb), breite Hofeinfahrt,
- Nr. 8: Mühlenbauanstalt C.G. Kaiser & Reimelt,
- Nr. 10: Maschinenfabrik C.L. Lasch & Co,
- Nr. 12: Bleirohrfabrik Wapler & Söhne.

Anmerkungen:
1. Das im Eingangsbereich der Nr. 6 mit einem roten Kreis gekennzeichnete kleine Gebäude wurde ab dem Jahr 1908 im Leipziger Adressbuch als ,Amtliche Waage‚ gesondert aufgeführt.

Dabei ging es insbesondere um die Ermittlung des Ladegewichts von Fahrzeugen und beladenen Anhängern.
Ab dem Jahr 1916 wurde diese Messstelle als ,öffentliche Waage‘ bezeichnet.
2. Das Haus Melanchthonstr. 6 als Wohnort der Fabrikanten-Familie Bachmann (1. Etage), gegenüber der Hofeinfahrt zur Fabrik, habe ich mit einem roten Punkt gekennzeichnet.

3. Niedergang und Übergang
Aus dem Jahr 1930 kann ich hier noch eine Handskizze der Maschinenfabrik beisteuern, die ich aus den Bauakten der Lutherstraße 6 abgezeichnet habe. [Quelle #7]

Der Firmeninhaber Wilhelm Otto Bachmann wohnte im Haus Melanchthonstr. 6, der Mitinhaber unweit in der Eisenbahn-/ Ecke Bussestraße gleich in der Eisenbahnstr. 17. Kein weiter Weg zur Firma.
Vermutlich ist die Firma Bachmann & Reiter wie so viele andere Leipziger Firmen in den Jahren der Weltwirtschaftskrise vom Ende 1929 bis 1932 auch dauerhaft auf Talfahrt gewesen.
Erschwerend für die Firmenführung kam noch hinzu, dass der eigentliche Geschäftsinhaber Wilhelm Otto Bachmann am 1. Januar 1931 verstorben war und Carl Friedrich Bachmann, als bisheriger Mitinhaber, die Firma ab 5. November 1931 als Alleininhaber fortführen musste, siehe HR-Auszug unten links.
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Nach dem Tod des Alleininhabers Carl Friedrich Bachmann im Jahr 1937 gab es keinen Bachmann-Nachfolger mehr.
Da kam die Nachbarfirma C.G. Kaiser & Reimelt ins Spiel. Inhaberin dieser Mühlenbau-Firma war seit Mai 1931 Martha verw. Reimelt, geb. Lange (Markkleeberg). Prokura hatte sie ihrem Sohn, dem Dipl.-Ingenieur Fritz Reimelt (Leipzig) erteilt.
Martha Reimelt übernahm ab Oktober 1937 gemeinsam mit ihrem Prokuristen Fritz Reimelt auch die Firma E. Bachmann & Reiter (Eintrag oben rechts).
Auch der Grundstückseigentümer wechselte daraufhin. In einem Schreiben vom Steueramt Leipzig vom 2. Dezember 1937 heißt es:
,,Das Grundstück Lutherstr. 6 … ist nach dem Kaufvertrage – Grundbucheintrage vom 26.9.37 – 15.10.37 von Martha vw. Reimelt geb. Lange, Fa. C.G. Kaiser & Reimelt, Lutherstr. 8, in Markkleeberg wohnend, erworben worden. Übergang des Nutzens und der Lasten am 26.9.1937.
Vorbesitzer Bachmann & Reiter.“
Am 11. Februar 1938 wurde der HR-Eintrag als HR A 154 umgeschrieben. Unter diesem Eintrag ist aber zusätzlich angemerkt, dass Martha verw. Reimelt geb. Lange nicht für die im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Inhabers E. Bachmann & Reiter haftet …
finaler Epilog
Eigentlich war damit die Firma E. Bachmann & Reiter erloschen, aber der Amtsschimmel hielt sie noch sage und schreibe fast sechzig weitere Jahre am Leben.
Das kam so zustande:
Fritz Reimelt als späterer Inhaber der Firma C.G. Kaiser & Reimelt Mühlenbauanstalt und Maschinenfabrik stellte in den Jahren 1950/ 51 mehrfach den Antrag an das Amtsgericht Leipzig den Eintrag der früheren Firma E. Bachmann & Reiter (Lutherstraße 6) zu löschen. Offenbar konnte er aber die vom Amtsgericht Leipzig damals geforderten deutschland- und weltweiten Unterlagen der Erbfolge nicht erbringen, so dass die Firma erst nach der deutschen Wiedervereinigung am 29. Juli 1997 als erloschen in den Unterlagen ,,von Amts wegen eingetragen“ wurde.

Ja – und was war C.G. Kaiser & Reimelt eigentlich für eine Firma? Dazu demnächst im 4. Teil mehr …
Literatur und Quellenverzeichnis
Literatur:
- Leipziger Adreß-Buch 1880 bis 1949 zu Namen, Adressen und Handelsregister-Auszügen, online: SLUB
- Skizzen, Karten und Fotos aus eigenem Archiv
- Illustrirte Zeitung(en), Leipzig und Berlin 1865 bis 1928
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger bzw. Handelszeitung 1898 bis 1907, Traueranzeigen, Handelsregister-Auszüge
Quellen:
- Quelle 1: Staatsarchiv Leipzig, Amtsgericht Leipzig – Handelsregister / Nr 21031: Folium 144 bzw. HRA 154 (B & R) und Folium 3035 (G, B & Co)
- Quelle #2: Adreßbuch sämmtlicher Einwohner der Vororte von Leipzig, Verlag von Licht und Meyer, Leipzig 1880, online: SLUB
- Quelle #3: Illustriertes Patent-Blatt, Band 1, Anmeldung 25. Mai 1878, Eduard Bachmann
- Quelle #4: Paul Benndorf: Zwei veressene Leipziger Goethestätten, H. Haessel Verlag, Leipzig 1922, S. 15 [eigenes Archiv]
- Quelle #5: Adress-Buch der industriellen Firmen von Leipzig und Umgegend, auf Grund officieller Angaben und privater Ermittlungen mit Unterstützung des statist. Amtes der Stadt Leipzig, zusammengestellt von P. Rocke, Verlag C. Jacobsen 1894
- Quelle #6: Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897, online SLUB
- Quelle #7: Stadtarchiv Leipzig, BauAkt Nr. 1486, Lutherstr. 6
persönliche Informationen:
- Andreas Hönemann: Recherche zu Anzeigen und Bildern in alten Zeitschriften und Adressbüchern