
Anknüpfend an den letzten Beitrag über die Reiselust und den Reisefrust kam im Leipzig des Jahres 1850 hinzu, dass es zwischen dem Bayerischen und den Nordbahnhöfen noch keine Bahnverbindung gab.
Mit Sack und Pack, Kind und Kegel mussten die Weiterreisenden per Kutsche oder Pferde-Omnibus zum Umsteigen von einem Bahnhof zum anderen eilen. Da waren Stress und Hektik vorprogrammiert. Dem sollte aber durch das Projekt einer Verbindungsbahn zwischen den Leipziger Bahnhöfen abgeholfen werden.
Heute wird häufig deren Eröffnungsjahr mit 1851 angegeben. Auch ist von einer eingleisigen Güterstrecke durch die östlichen Vororte und auch von Brücken die Rede.
Was da stimmt und was undurchsichtig bleibt? – Hier folgt der Versuch einer Klärung …
Genauer gesagt handelte es sich dabei um das Projekt einer ersten Verbindungsbahn oder der alten Verbindungsbahn zwischen den Leipziger Bahnhöfen. Ich will das Thema mal chronologisch angehen, und ich beginne mit den Jahren ….
1847 bis 1849
Zur staatlichen Finanzierung der projektierten Schienenverbindung zwischen den in Leipzig im Jahr 1847 existierenden Bahnhöfen
– Dresdner Bahnhof (1839),
– Magdeburger Bahnhof (1840) und
– Bayerischer Bahnhof (1842)
musste im Königreich Sachsen zunächst eine Genehmigung durch den König eingeholt werden. Der amtlich formulierten Text dieses Antrags mutet natürlich heute merkwürdig gedrechselt an, eine Kostprobe rechts stehend. [Quelle #1]
Am 24. März wurde dieser Antrag von Seiner Majestät König Friedrich August II. bewilligt. Damit konnte das Projekt gestartet werden.
Kurz darauf erschien in der Illustrirten Zeitung bereits ein erster größerer Artikel über die projektierte Verbindungsbahn mit entsprechenden Kommentaren über den ,,Leipziger Klüngel“, ,,gefährdete Interessen des Großhandels“ und Mutmaßungen über eine mögliche Linienführung dieser Bahn. Weil aber noch keine konkreten Linienpläne vorlagen, wurde auf einer Doppelseite eine erdachte Linienvariante als Darstellung in der Vogelschau präsentiert.
Nachfolgend habe ich in den Abbildungen unten links einen Auszug aus dem Text dieses Artikels und rechts einen Ausschnitt aus der Illustration mit dem vermuteten Linienverlauf zwischen der damaligen Tauchaer und Dresdner Straße eingefügt (Tauchaer Str. – heute Rosa-Luxemburg-Str.). [Quelle #2]

In der Zeitungs-Illustration wurde ein Linienverlauf mit einer Überkreuzung der bereits bestehenden Leipzig-Dresdner Eisenbahn, einer langgestreckten Brücke durch den früheren Großen Kuchengarten bis zur Dresdner Straße prognostiziert. Diese Zeichnung mit der Brücke verleitete allerdings später viele Autoren von einer tatsächlichen Brücke im Zuge der Verbindungsbahn auszugehen (siehe unter Literatur: wikipedia-Eintrag).
Im Juni des Jahres 1848 wurde das Projekt der Verbindungsbahn sowohl in einer besonderen Sitzung im Sächsischen Landtag als auch in den überregional erscheinenden Zeitungen ausführlich besprochen.
Aus den Landtags-Acten geht hervor, dass die geplante Verbindungsbahn
– östlich von Leipzig verlaufen soll,
– bis zur Kreuzung der Leipzig-Dresdner Bahn,
– im Überbau auf Doppelgleis und auf den Betrieb mit Locomotiven
mit einem Anschlag von 135,607 Thl. 4 Ngr. zu berechnen ist (siehe *Anmerkung unter 1850/51),
– in Bau und Betrieb für alleinige Rechnung der Staatskasse auszuführen sind,
– in den Kosten aber möglichst minimiert werden soll und
– den städtischen Verkehr möglichst wenig stören soll. [Quelle #1 mit Textstellen]
In einem Beitrag der Eisenbahn-Zeitung werden neben der Erwähnung von Bau und Betrieb der Verbindungsbahn durch die Sächsisch-Bayerische Staatsbahn, auch der Kostenanschlag und eine Rentabilitäts-Berechnung auf Basis der im Jahr 1847 angefallenen Aufwände für Fuhr-Transporte zwischen den Bahnhöfen genannt, siehe folgende Ausschnitte.
Der gleichlautende Artikel wurde auch in der Deutschen Allgemeinen Zeitung, die in Leipzig erschien, abgedruckt. [Quelle #3]
Ende Juli 1848 habe ich in der Deutschen Allgemeinen Zeitung einen Bericht über das zum Bau der Verbindungsbahn erforderliche Terrain in den Fluren der Orte Dorf Schönefeld, Dorf Reudnitz und Stadt Leipzig entdeckt.
Oben, auf der rechten Seite sind die aktuellen Bahnfrequenzen und Einnahmen Leipzig-Dresdner und der Magdeburg-Leipziger Bahn für den Zeitraum Januar bis Juli 1849 aufgeführt.
Demnach wurden in diesem reichlichen halben Jahr über 600.000 Reisende befördert.
1850 / 1851
Im Herbst des Jahres 1850 war der Bau der Verbindungsbahn bereits so weit fortgeschritten, dass als ersten Teil die Verbindung zwischen dem Bayerischen und dem Magdeburger Bahnhof ab Montag, den 16. September 1850 aufgenommen werden konnte. Das geht auch aus den Artikeln in verschiedenen Tageszeitungen hervor.
Hier anschließend die Ausschnitte aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung (links) und der Wiener Zeitung (rechts) [Quelle #5]:
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Das ist äußerst interessant: der Anschluss der Sächsisch-Baierischen Staatsbahn an die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn für den allgemeinen Güterverkehr mittels Lokomotivenbetriebs wurde also bereits im Herbst des Jahres 1850 noch vor der Streckeneröffnung des Zweigs der Verbindungsbahn zum Dresdner Bahnhof eröffnet.
Davon habe ich in der aktuellen Literatur zum Thema der (alten) Leipziger Verbindungsbahn noch nichts lesen können.
Erst am 19. Juli des darauf folgenden Jahres wird in der Leipziger Zeitung auch von der Inbetriebnahme des zweiten Teils zwischen dem Bayerischen und dem Dresdner Bahnhof, ab Sonntag, dem 20. Juli 1851 berichtet:
Darin heißt es:
,,Nachdem von der Verbindungsbahn für die bei Leipzig ausmündenden Eisenbahnen nunmehr auch der nach dem Bahnhofe der Leipzig-Dresdner Eisenbahn sich abzweigende Flügel vollendet ist und vom 20. dieses Monats an zur Überführung der Güter unter gleichen Bestimmungen wie der nach dem Bahnhofe der magdeburg-leipziger Bahn führende, früher bereits dem Betriebe übergebene Flügel derselben Verbindungsbahn benutzt werden soll; so wird Solches hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht. Dresden, am 17. Juli 1851″
Auch in der Wiener Zeitung vom 20. Juli 1851 habe ich einen ähnlich lautenden Artikel gefunden [beide in Quelle #6].
Frage: Warum ist die vorherige Eröffnung des ersten Teils der Verbindungsbahn in Vergessenheit geraten? Da kann ich nur vermuten, dass der zweite Teil der Verbindungsbahn immer im Zusammenhang mit der Streckeneröffnung auf der Sächsisch-Bayerischen Linie zwischen Leipzig und Hof (und den süddeutschen Raum bis München) genannt wurde und andererseits galt natürlich der 20. Juli 1851 als Abschlussdatum für das vom Staat finanzierte Projekt dieser Leipziger Verbindungsbahn.
Damit war die Verbindungsbahn zwischen dem im Süden der Stadt Leipzig liegendem Bayerischen Bahnhof und den beiden (Magdeburger und Dresdner) Nordbahnhöfen, im Unterbau zwar zweigleisig, aber vorerst im Oberbau nur eingleisig ausgeführt, in einer Baulänge von 0,667 deutschen Meilen (~5 km) fertiggestellt und für den Güterverkehr betriebsbereit.
*Anmerkung: Der Kostenvoranschlag aus dem Jahr 1848 konnte nicht gehalten werden. Aus den Landtags-Acten zu einem Bericht der zweiten Deputation der ersten Kammer über das Königliche Dekret vom 1. August 1850, das Eisenbahnwesen betreffend, geht hervor, dass sich die Kosten bis zur endgültigen Übergabe der Verbindungsbahn mit ihren beiden Zweigen auf 161,922 Thlr. 20 Ngr. 4 Pf. erhöht hatten. [Quelle #11]
1852 bis 1858
In der Folgezeit wurde auf der Verbindungsbahn zwar ein reger Güterverkehr abgewickelt, es kam aber auch zu besonderen Personenfahrten zwischen dem Bayerischen und den Dresdner bzw. Magdeburger Bahnhöfen. Besonders die deutschen Herrscherhäuser hatten bald ein großes Interesse an Eisenbahnfahrten entwickelt. Es war in der Regel bei längeren Touren doch bequemer und zeitsparender mit einem Extrazug statt mit der Kutsche zu verreisen.
Aus den Leipziger Tageszeitungen des Zeitraums von 1852 bis 1858 habe ich ein paar Artikel zu solchen Fahrten gesammelt und eine kleine Auswahl hier im Folgenden angefügt:
Leipziger Zeitung
Sachsen. Leipzig, 16. Febr. [1852.] Gestern gegen 10 Uhr kamen Ihre Maj. die Königin von Hannover nebst den königlichen Kindern und Gefolge von Altenburg mittelst Extrazuges auf der S.-B- Eisenbahn und der Verbindungsbahn auf dem hiesigen Magdeburger Bahnhofe an und wurden daselbst vom Kreisdirector, dem Stadtcommandanten und dem hiesigen königl. hannoverschen Generalconsul begrüßt. Nach kurzem Verweilen ging die hohe Reisende mittels Extrazuges auf der Magdeburger Eisenbahn nach Hannover weiter. [Quelle #6]
Anmerkung (wikipwdia): es handelte sich um Königin Marie von Hannover
Leipziger Zeitung
Sachsen. 0Leipzig, 25. Septbr. [1852] Diesen Mittag 12 1/2 Uhr trafen Ihre Majestät die Königin von Preußen, nebst Gefolge, auf der Rückreise von Tegernsee mittelst Extrazugs der Sächsisch-Bayerischen Staatseisenbahn hier ein, wurden von dem Stellvertreter des Kreisdirectors und dem Garnisionscommandanten ehrerbietig begrüßt, begaben sich, nach kurzem Verweilen, auf der Verbindungsbahn nach dem Bahnhofe der Leipzig-Dresdner Eisenbahn und reisten von da aus mit Extrazuge weiter nach Dresden. [Quelle #7]
Anmerkung (wikipedia): Elisabeth Ludovika, Prinzessin von Bayern (* 13. November 1801 in München; † 14. Dezember 1873 in Dresden) war als Gemahlin Friedrich Wilhelms IV. Königin von Preußen.
Es gab auch weniger erfreuliche Reisen auf der Leipziger Verbindungsbahn wie hier im Folgenden zu lesen:
Deutsche Allgemeine Zeitung
Leipzig, 15. Aug. [1854.] … Der gegen 3 Uhr hier erwartete Zug mit der Leiche des Königs [Friedrich August II. von Sachsen]wird in der Halle des Bairischen Bahnhofs halten, wo, mit Wegfall aller besonderen Feierlichkeiten, zunächst die Behörden und sodann das Publicum in der Weise Zutritt erhält, daß ihm durch das eine Bahnhofthor der Durchgang durch die halle gestattet wird. Nach kurzem Aufenthalt wird dann dieser Zug sich auf der Verbindungsbahn nach der Leipzig-Dresdner Bahn und auf dieser nach Dresden in Bewegung setzen. [Quelle #8]
Anmerkung (wikipedia): zum Ableben von König Friedrich August II. von Sachsen. Bei einer Reise in Tirol verunglückte sein Pferdewagen am 9. August 1854 in Karrösten. Er starb in dem bis heute fortbestehenden Gasthof Neuner, in Brennbichl in Tirol, nachdem er aus dem Wagen gestürzt war und von einem Pferd einen Tritt gegen den Kopf erhalten hatte.
Na, ich hoffe, dass wenigstens das Pferd überlebt hat … 😉 😉 😉
Illustrirte Zeitung, aktueller Plan Leipzig 1858 (Abbildung rechts) [Quelle #10]
Deutsche Allgemeine Zeitung
Leipzig, 12. Mai [1858]. Die feierliche Eröffnung der Obererzgebirgischen Eisenbahn (Zwickau – Schwarzenberg) hat den vorher getroffenen Bestimmungen zufolge gestern stattgefunden. Bereits am 10. Mai nachmittags trafen von Dresden Se. Majestät der König, die Königin, der Kronprinz mit Gemahlin in Begleitung eines zahlreichen Gefolges hier ein, wurden auf dem Bahnhofe der Leipzig-Dresdner Eisenbahn von den Behörden begrüßt und reisten dann auf der Verbindungsbahn weiter.
Um 6 Uhr gestern früh trafen dann auch die Mitglieder beider Kammern von Dresden mit einem von dem Directorium der Leipzig-Dresdner Eisenbahn zu dem Zweck zur Verfügung gestellten Extrazuge hier ein und fuhren ohne Verzug auf der Verbindungsbahn weiter nach Zwickau. [Quelle #9]
Anmerkung (wikipedia): König Johann von Sachsen, Königin Amalie Auguste (von Bayern). Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor.
Wie der oben rechts gezeigten Karte aus dem Jahr 1858 zu entnehmen ist, hatten sich die Leipziger Vorstädte inzwischen fast bis an die Verbindungsbahn ausgedehnt. Der Thüringer Bahnhof war damals offenbar noch nicht an die Verbindungsbahn zum Bayerischen Bahnhof angeschlossen.
Aber, dazu mehr im zweiten Teil.
Literatur- und Quellenangaben
Literatur zur (alten) Verbindungsbahn
- wikipedia, Alte Verbindungsbahn Leipzig
- Leipzig-Lexikon, Die alte Verbindungsbahn
- Leipziger Industriekultur, Leipziger Eisenbahnnetz bis 1915
- City-Tunnel Leipzig – Vorgeschichte der Bahnhöfe und Eisenbahnstrecken in Leipzig
- Rolf Bayer, Gerd Sobek: Der Bayerische Bahnhof in Leipzig, S. 70f: Die Verbindungsbahn
Statistische Berichte, Zeitschriften und Zeitungen aus der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) und der Bibliothek der Uni Wien (ANNO)
Quellen
- Quelle #1: Landtags-Acten, Mittheilungen über die Verhandlungen des Landtags im Königreich Sachsen im Jahre 1848, II. Kammer, Sitzung Nr. 13 vom 29. Juni 1848, S. 228ff
- Quelle #2: Illustrirte Zeitung, VIII. Band, Nr. 199, 24. April 1847, S. 266/68, Vogelschau auf Leipzig mit Projekt Verbindungsbahn
- Quelle #3: Eisenbahn-Zeitung, Stuttgart, 19. Juni 1848, S. 205/206 bzw. Deutsche Allgemeine Zeitung, Sonntag, 25. Juni 1848, S. 4/5
- Quelle #4: Deutsche Allgemeine Zeitung, Mittwoch, 25. Juli 1849, S.7
- Quelle #5: DAZ, Samstag, 14. September 1850, S. 3 bzw. Wiener Zeitung, am Dienstag, 17. September 1850 S. 3
- Quelle #6: Leipziger Zeitung 17. Februar 1852, S. 733 (zur Verbindungsbahn)
- Quelle #7: Leipziger Zeitung, Dienstag, 28. September 1852, S. 1 (zur Verbindungsbahn)
- Quelle #8: Deutsche Allgemeine Zeitung, Mittwoch, 16. August 1854, S. 5 (zur Verbindungsbahn)
- Quelle #9: Illustrirte Zeitung, Samstag, 17. April 1858, aktueller Plan Leipzig
- Quelle #10: Deutsche Allgemeine Zeitung, Donnerstag, 13. Mai 1858, S. 4 (zur Verbindungsbahn)
- Quelle #11: Landtags-Acten vom Jahre 1850, Beilagen zu den Protokollen der ersten Kammer, Hofdruckerei Dresden, 1. Bericht der zweiten Deputation der ersten Kammer über das Königliche Dekret vom 1. August, das Eisenbahnwesen betreffend
Wikipedia-Quellen zu verschiedenen Personen
Anmerkung: Rechtschreibung und Grammatik habe ich beim Zitieren von Texten aus den alten Zeitungen und Unterlagen original belassen. Das kann manchmal vom heutigen Schreib- und Sprachgebrauch etwas abweichen.