
In diesem zweiten Teil möchte ich Euch erzählen,
+ wie die ursprüngliche Maschinenfabrik und
+ wie die Familie Schöne Mitte des 19. Jahrhunderts nach Neuschönefeld gekommen ist,
+ wie und wann es zu den Gebäuden der heutigen ,,Schönen Fragmente“ kam und
+ was später aus dieser Werkzeug-Maschinenfabrik, bis zum Ende der 1920er Jahre, geworden ist.
Das war, zugegeben, etwas abwechslungsreich – aber, seht selbst …
Bevor wir zur Familien-Dynastie der Schönes und der Neuschönefelder Fabrik kommen, geht es vorerst um den
Maschinenbauer Friedrich Moritz Fritzsch.
Um das Jahr 1850 gründete F.M. Fritzsch in Volkmarsdorf, Nr. 88a, eine Mühlen- und Maschinenbau-Werkstatt.
Dort wurde hauptsächlich, wie man einem Inserat vom 4. Oktober 1850 aus der Leipziger Zeitung entnehmen kann, Mühlenbau-Zubehör und alles, was zu dessen Reparatur benötigt wurde, gefertigt.
Bald wurde dieses Geschäft auch auf den allgemeinen Maschinenbau für Dampfmaschinen, deren Transmissions-Zubehör, Schneidemaschinen bis hin zum Brauereibedarf ausgeweitet. Wie man einem Beitrag aus dem Jahrbuch der Landwirtschaft aus dem Jahr 1854 (oben rechts) entnehmen kann, ging es sogar um der Sachsen liebtestes Getränk – um verbesserte Apparaturen zum Kaffee-Rösten.
Na, das ist doch hier unbedingt erwähnenswert …!
Bis zum Jahr 1856 wurde die Werkstatt in Volkmarsdorf offenbar zu klein und deshalb kaufte sich F.M. Fritzsch in der Nachbargemeinde Neuschönefeld im Januar 1857 ein Grundstück in der Sophienstraße No. 129/130. [Quelle #1] Er wandte sich anschließend mit einem Gesuch an den Gemeinderat von Neuschönefeld, seine Fabrik von Volkmarsdorf nach Neuschönefeld zu verlegen und ließ dort bis zum Jahresende ein erstes Maschinenwerkstatt-Gebäude errichten, siehe auch Fabrikskizze aus dem Jahr 1887 (unten). Teilhaber der neuen Firma wurde Carl August Großer (auch Grosser). Im Revisionsprotokoll zur Abnahme eines Dampfkessels für die Dampfmaschine dieser neuen Fabrik vom 4. November 1875 heißt es:
,,Die Dampfmaschine hat 3 Pferdekraft, und ist erbaut von Herrn Fritzsch und Großer zu Neuschönefeld im Jahr 1857.“ [Quelle #2]
Demnach wurde als eines der ersten Erzeugnisse der neuen Firma Fritzsch & Großer noch Ende des Jahres 1857 eine firmeneigene Dampfmaschine gebaut. Eine erste Zeitungsanzeige zur neuen Neuschönefelder Firma habe ich der Leipziger Zeitung vom 26. Januar 1858 entdeckt:

Bereits im Folgejahr kam es zu geschäftlichen Veränderungen. Und damit komme ich zur …
Unternehmer-Familie Schöne.
Zur weitverzweigten Unternehmer-Familie Schöne in Großröhrsdorf bei Radeberg gehörte auch der Besitzer der Band- und Hosenträgerfabrik Johann Gottfried Schöne. Er kaufte, um den Bedarf der Fabrik an Maschinen jederzeit genügend zu decken, im September 1859 die Neuschönfelder Maschinenfabrik von Fritzsch & Großer und führte sie unter dem neuen Firmennamen Schöne & Großer fort. Als neuen Besitzer setzte er seinen 21jährigen Sohn Gustav Otto Schöne ein, der aber bereits im Oktober 1859 verstarb, siehe folgende Traueranzeige aus der Leipziger Zeitung vom 15. Oktober 1859.
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Anschließend übernahm der Großröhrsdorfer Unternehmer Johann Gottfried Schöne auch die Neuschönefelder Firma, siehe Bekanntmachung (oben rechts) zu Veränderungen, das Firmen- und Procurawesen im Königreich Sachsen im Zeitraum vom 16. December 1859 bis zum 31. März 1860 betreffend.
Im Jahr 1860 wurde eine erste Eisengießerei errichtet und am 4. Juli 1860 die erste Platte gegossen. [Quelle #3]
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Auf der Abbildung, oben rechts, aus dem Album der sächsischen Industrie sind die Gebäude der Firma Schöne & Großer mit Blick über die Sophienstraße nach Süden zu sehen:
links das neu errichtete Wohnhaus an der Ecke zum Kirchweg, in Bildmitte die im Jahr 1857 errichtete Maschinenwerkstatt und auf der rechten Seite das neue Gießereigebäude aus dem Jahr 1860.
Laut den Angaben im Album lieferte die Fabrik unter anderen alle Arten Dampfmaschinen, alle zur Papierfabrikation nötigen Maschinen, Maschinen für Brauerei, Brennerei, Färberei und Bleicherei und alle Arten Eisenguss-Gegenstände. Beschäftigt wurden 60 Arbeiter, in auftragsstarken Zeiten auch 80–100. Diese wurden unterstützt von zwei Dampfmaschinen mit 3 und 6 Pferdestärken. [Quelle #4]
Ab dem Jahr 1862 schied Großer als Teilhaber aus und die Eisengießerei und Maschinenfabrik wurde unter der neuen Bezeichnung J.G. Schöne & Sohn weitergeführt. Laut Eintrag im Leipziger Handelsregister vom April 1862 wurden als Inhaber Johann Gottfried Schöne, Fabrikant in Großröhrsdorf und Samuel Ernst Schöne in Neuschönefeld eingetragen.
Im Juni 1863 wurde der Bau einer kleinen Eisen- und Messing-Gießerei abgeschlossen und in den Jahren 1869/70 ein großes, etwa 36 Meter langes, dreigeschossiges Fabrikgebäude direkt an der Sophienstraße errichtet.
–> Anmerkung 1: Davon ist heute noch ein kleiner Teil vorhanden.
Ab August 1870 war Samuel Ernst Schöne alleiniger Inhaber der Firma. [Quelle # 5]

Ab dem Jahr 1870 fand ein Wandel im Geschäftsbetrieb statt. Zur Spezialität der Firma wurden der Werkzeugmaschinenbau, die Herstellung von Maschinen zur Metallbearbeitung wie Hobelmaschinen, Bohrmaschinen, Drehbänke, Fräsmaschinen usw.
Laut den Angaben zur Ausstellung des Deutschen Reichs im Jahr 1873 in Wien beschäftigte die Neuschönefelder Firma J.G. Schöne & Sohn etwa 110 Arbeiter und betrieb eine Dampfmaschine mit 30 Pferdestärken, siehe Eintrag links. [Quelle #6]
Im Mai 1875 verstarb der Firmeninhaber Samuel Ernst Schöne. Neue Firmeninhaber wurde laut Eintrag im Handelsregister seine Frau Agnes Pauline verw. Schöne, geb. Schöne und ihre noch unmündigen Töchter Hedwig Agnes und Ernestine Rosa Schöne. Die Vertretung der Firma war bis zum Jahr 1879 auf besonders im Register eingetragene Prokuristen beschränkt. [Quelle #5]
Im Frühjahr 1884 hatte die Firmeninhaberin Agnes Schöne den Ingenieur Otto Müller geheiratet, der dann zwar die Leitung der Firma übernahm, die aber unter dem Namen J.G. Schöne & Sohn weiter geführt wurde.
Auf den folgenden Abbildungen habe ich eine grafische Firmenansicht aus dem Briefkopf der Firma J.G. Schöne & Sohn mit einer erstellten Lageskizze, beide aus dem Zeitraum 1886/87, gegenübergestellt:
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Die grafische Darstellung aus der Vogelschau zeigt einen Blick auf die Ecke Sophien-/ Rosenstraße in Richtung Südosten. Ganz links ist der Giebel des Wohnhauses der Familie Schön/Müller zu erkennen, daneben folgt das langgestreckte (neue) Fabrikgebäude bis zur Hofeinfahrt und dem flachen Comptoir-Gebäude an der Sophienstraße und um die Ecke zur Rosenstraße sind rechts im Bild die Gießereigebäude zu sehen. Im Vergleich dazu auf der rechten Abbildung ein Situationsplan aus dem Jahr 1887 mit den eingezeichneten Fabrikgebäuden. Die Baujahre der Gebäude habe ich zur besseren Einordnung ergänzt.
Im Jahre 1890 wurde ein Anbau an der östlichen Seite des Fabrikgebäudes ergänzt, um den Montageraum und die Maschinensäle zu erweitern. Dazu gibt es eine interessante grafische Darstellung aus einem im Jahr 1892 herausgegebenen Buch über die sächsische Großindustrie, in dem auch die Firma J.G. Schöne & Sohn aufgeführt wurde. Dort heißt es:
,,Die Firma beschäftigt gegenwärtig ca. 200 Arbeiter; ihre Werkstätten werden durch Dampfmaschinen in Betrieb gesetzt, welche bei ca. 100 m² Heizfläche die Gesamtzahl von ca. 60 Pferdekräften repräsentieren.“ [Quelle #7]
Aber, zuerst zum Bild – oben links. Der Blick aus der Vogelperspektive zeigt das Firmengelände diesmal aus der Richtung der Kreuzung Kirch-/Konradstraße mit Blick nach Südwesten. Im Vordergrund nach rechts verlaufend ist die Kirchstraße [heute: H.-Liebmann-Str.] und nach rechts die Konradstraße zu sehen.
–> Anmerkung 2: Heute sind an dieser Ecke nur noch die Reste der einstigen Bebauung der Werkzeug-Maschinenfabrik J.G. Schöne & Sohn mehr schlecht als recht erhalten – Bild oben rechts.
Ab 1907 firmierte J. G. Schöne & Sohn als „Maschinenfabrik, Eisengießerei und Lokomobilbau“, 1916 dann wieder als „Werkzeug-Maschinenfabrik und Gießerei“. Die Gießerei produzierte dort bis 1917, wenn auch nur noch als Mieter, da die Gebäude 1906 verkauft wurden.
Im Jahr 1917 erfolgte die letztmalige Erwähnung des Unternehmens, das die Wirren des Ersten Weltkrieges letztlich nicht überstanden hattte. Im Juni 1919 wurde über den Nachlass des Firmeninhabers Otto Müller das Konkursverfahren eröffnet. Im Jahr 1918 zog sich der ehemalige Besitzer Müller aufs Altenteil nach Gohlis zurück.
Als letzte Amtshandlung wurde am 24. Juni 1920 vom Gerichtsamt Leipzig I die Firma J.G. Schöne & Sohn vom Amts wegen als geschlossen erklärt.
–> Anmerkung 3: habe ich aber noch parat, genauer gesagt geht es um eine interessante Ansichtskarte der Kreuzung Eisenbahn-/ Kirchstraße vom März 1920. Damals waren an dieser Straßenkreuzung beim Kapp-Putsch Barrikaden errichtet und ein Foto von der Volkmarsdorfer Seite der Kreuzung in Richtung Konradstraße aufgenommen worden. Und was ist dort am linken Bildrand zu erkennen? Ja, richtig – das ist das Eckgebäude Kirch-/ Konradstraße der früheren Firma J.G. Schöne & Sohn und mit Türmchen über der dritten Etage.
Nachfolgefirma: Maschinenfabrik Jurisch
Ein Jahr später erwarb der Kaufmann Karl Jurisch aus Oetzsch einen Teil dieser verwaisten Firmengebäude. Er wollte hier in der Konradstraße 36 / 38 die Holzbearbeitungsmaschinenfabrik Hansa Karl Jurisch aufbauen.
Aus einem Beschwerdeschreiben eines Untermieters im Bereich des Bereichs der Maschinenfabrik Karl Jurisch geht hervor, dass die Fabrikräume über längere Zeit leer gestanden hatten, dann ab März 1924 mit Maschinen, hauptsächlich Bohrmaschinen, Drehbänke und Schleifmaschinen, ausgestattet wurden. [Quelle#2]
Wie aus einer Anzeige aus dem Journal Helios aus dem Jahr 1927 zu entnehmen ist, wurden hier in der Maschinenfabrik Karl Jurisch, Abteilung Richard Thieme, über mehrere Jahre Spezialmaschinen für die Elektrotechnik produziert.
Doch im Jahr 1928 war damit Schluss und schließlich hatte sich Karl Wirth um eine Weiternutzung der Räume beworben – davon hatte ich ja bereits im ersten Teil berichtet.
Fazit
- Die heutigen Reste von Fabrikgebäuden an der Ecke Konrad-/ Liebmannstraße haben ursächlich nichts mit einer Wagenhalle der Firma Karl Wirth oder mit Automobilen zu tun.
- Sie wurden von der Firma J.G. Schöne & Sohn errichtet.
- Der älteste Gebäuderest an dieser Straßenecke ist nicht das auffällige Klinker-Eckgebäude aus den Jahren 1889/90, sondern der unscheinbare Fabrikgebäuderest in der Konradstraße mit dem Baujahr 1870.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literaturhinweise
Blog-Beitrag Schöne Fragmente (Teil 1), vom Februar 2022
Adressbücher der Stadt Leipzig und der Vororte Leipzigs aus dem Zeitraum 1866 bis 1928, dazu folgende Hinweise:
Sophienstraße – heute: Konradstraße
Kirchweg, bzw. Kirchstraße – heute: Hermann-Liebmann-Straße
Zeitungen (Leipziger Zeitung, Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Illustrirte Zeitung und weitere) aus den online-Beständen der SLUB Dresden und von ANNO Uni Wien
Fotos, alte Stadtplan-Ausschnitte, Kartenskizzen aus eigenem Bestand
Quellen
Quelle #1: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. 7530 und Nr. 7530a, Nachlass des Fabrikbesitzers Ernst Samuel Schöne in Neuschönefeld mit Auszügen zu Grundstücken der Familie Schöne und Vorbesitzer aus dem Grund- und Hypothekenbuch für Neuschönefeld
Quelle #2: Stadtarchiv Leipzig, Bauakte Nr. 2003 zum Grundstück Konradstr. 36/38
Quelle #3: Moritz Weißbach: Geschichte der Gemeinde Neuschönefeld, ihre Entstehung und Entwicklung bis zu ihrem Anschlusse an die Stadt Leipzig am 1. Januar 1890, Abschnitt X. zu Gewerbs-, Fabrik-, Handels- und Verkehrswesen, S. 21f, online SLUB Dresden
Quelle #4: Louis Oeser (Herausgeber): Album der Sächsischen Industrie, Band 2, Seiten 157/158 zur Maschinenfabrik und Eisengießerei von Schöne und Großer in Neuschönfeld bei Leipzig [Stand etwa 1861]
Quelle #5: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. 14567, Handels-Register für den Bezirk des Gerichtsamts Leipzig I, Band 1, Nr. 4 zur Firma J.G. Schöne & Sohn
Quelle #6: Amtlicher Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches, Universal Exhibition. 1873, Wien
Quelle #7: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seiten S. 282/283 zur Firma J. G. Schöne & Sohn in Leipzig-Neuschönefeld, Maschinenfabrik und Eisengießerei
persönliche Mitteilungen
Vielen Dank für die Zuarbeiten (Bilder, Inserate und Hinweise) an Andreas Hönemann.