Ostbad-Geschichten (2)

Während der Inflationszeit wurde das private Ostbad an der Konradstraße im Jahr 1923 aus Kostengründen geschlossen – nach nur 36 Jahren Badezeit. Heute möchte ich Euch hier im zweiten Blogbeitrag zeigen, wie es danach mit dem Bad unter städtischer Regie weiterging:
+ durch Krisen-, Nazi- und Kriegszeiten,
+ durch Besatzungs- und Planwirtschaftszeiten
+ und nach der Wende bis zur Schließung.
Was war nach über 100 Jahren vom Bad in Leipzigs Osten geblieben?
Und – gibt es nach vielen Ansätzen im Jahr 2024 vielleicht ein neues Bad im Osten …?

Der erste Teil der Ostbad-Geschichten endete mit der Schließung des Bades an der Konradstraße am 3. September 1923. Das Betreiben des Bades war während der Hochphase der Inflationszeit nicht mehr möglich gewesen. Karl Jurisch als privater Eigentümer hatte kein Geld mehr und die Stadt war nicht bereit weitere finanzielle Unterstützungen für ein nichtstädtisches Unternehmen zu zahlen.

Anmerkungen zum Thema Inflationszeit / Geld:
+ Anfang September 1923 bekam man (nominal) für eine Goldmark 10 Millionen Papiermark,
+ damit kostete z.B. ein Exemplar vom Leipziger Tageblatt mit der Meldung zur Ostbad-Schließung sage und schreibe 200.000 Mark und
+ die Kaufsumme des Ostbades von 1 Million Goldmark entsprach einem exorbitanten Wert von 100 Billionen Papiermark, eine Zahl mit 11 Nullen - das konnte keiner bezahlen!
Erst mit der Währungsreform vom 15. November 1923 konnte der Kurs wieder stabilisiert werden:
1 Rentenpfennig (RPf) ≙ 100 Millionen Papiermark. [Quelle #1]

Eine Patt-Situation rings um’s Bad im Leipziger Osten?
Nein, auch während der Schließungszeit gab es Aktivitäten um das Bad und auch die Schwimmvereine,
deshalb ein Blick in eine

Zwischenzeit – 1923 bis 1925

Gerade in der Schließungswoche, Anfang September 1923, machte der im Ostbad ansässige Schwimmverein Leipzig-Ost anläßlich seines 20jährigen Vereins-Jubiläums von sich hören. Bei den anstehenden Wettkämpfen konnte der Schwimmverein von 29 Wettbewerben elf für sich entscheiden. Ein großer Erfolg, wie man nebenstehenden Beitrag aus dem Leipziger Tageblatt vom 4. September 1923 entnehmen kann!

Durch die Schließung des Ostbades wurden die Aktivitäten des Schwimmvereins Leipzig-Ost nahezu lahmgelegt. Im Sommer hä#tte man ja noch auf das Freibad in Schönefeld ausweichen können, aber in der kalten Jahreszeit konnte nicht mehr im Ostbad trainiert werden. In der Festschrift zum 25. Jubiläum im Jahr 1928 heißt es dazu:

„… Wir hatten im Ostbad 2 Damen- und 3 Herrenübungsstunden gehabt. Durch den Gau erhielten wir nun [ab Herbst 1923] eine Stunde im Carolabad zugeteilt. Für den zahlreichen Übungsbetrieb war das natürlich viel zu wenig.
Dies alles ließ den Gedanken eines Zusammenschlusses mit einem anderen Verein wieder lebendig werden. Die außerordentliche Hauptversammlung am 7. November 1923 stimmte mit 94 gegen 13 Stimmen für den Zusammenschluß [mit dem Schwimm-Verein „Stern“-Leipzig 1903 e.V.], der dann auch sinngemäß durchgeführt wurde.“
[Quelle #2]

Prinzipiell hatte die Ostgruppe des im Ostbad ebenfalls ansässigen Arbeiter-Schwimmvereins Leipzig das gleiche Problem. Dieser Schwimmverein war aber über ganz Leipzig organisiert und konnte zunächst auf Schwimmstunden im Carolabad in den Leipziger Süden ausweichen.

In den Leipziger Stadtverordneten-Sitzungen wurde das Thema Ostbad, mögliche Kaufoptionen und vor allem die Bedeutung des Bades für die Bevölkerung und dem ausfallenden Schulschwimmen am 20. Februar, am 24. Oktober und am 5. November 1924 wiederholt eingebracht und besprochen. Zwischen Februar und Oktober 1924 konnte die Kaufsumme von anfangs 1,2 Millionen Goldmark für das Ostbad und dort existierende Wohn- und Gewerberäume auf 600.000 Goldmark heruntergehandelt werden.

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links: Gebäude-Deal des Leipziger Stadtrates Okt. 1924 / rechts: Ausschnitt Leipziger Tageblatt vom 18. Okt. 1924

Das betraf außer dem Ostbad-Gebäude, Konradstr. 25 nun auch die angrenzenden Gebäude Konradstr. 27 und 27a sowie die Gebäude in der Eisenbahnstr. 66, 68 und 70 (alle vom Eigentümer Karl Jurisch), siehe Planausschnitt oben links. Zusätzlich wurden von den Stadtverordneten in der Sitzung am 5. November 1924 noch 82.800 Goldmark für die Instandsetzung des Ostbades bewilligt. [Quelle #3]

Im November 1924 begann die Kommune schließlich mit der Instandsetzung des Ostbades.

Teil 2: das städtisch geführte Bad – 1925 bis 1995

1925 Wiedereröffnung, Vereine

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Auszug aus Betriebshandbuch des Ostbades [Quelle #4]

1925 [Bild Damenriege] LT+H_1925-10-12_S3_SVStern-Damen

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StVuR_Sitzung Nr. 142, 1928-02-08: Errichtung eines Dampfbades im Ostbad

Leipzig-Illustrierte Monatsschrift_7_1929_12(25)_1929 Städtische Bäder

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Statistik Hallenb-1932: Leipziger Hallenbäder [Tabelle]

1938/39 Instandsetzung

1953 Instandsetzung

1970 Bautechnisches Gutachten

1976 bis 79 Instandsetzung

[Statistik Leipziger Bäder]

1995 letzter Badetag

Abbruch – 2000

[Plan 1985 Ausschnitt Ost / Vergleich osm 2023 ?]


Literatur- und Quellenverzeichnis

Literatur

Brock, Alexander: Leipzig geht baden, vom Pleißestrand zum Neuseenland, Pro Leipzig, 2004

Leipziger Adressbücher der Jahre 1923 bis 1949

Leipziger Tageszeitungen: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt, Leipziger Volkszeitung, beide online in der SLUB (Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek) Dresden, Neue Leipziger Zeitung, Ausgaben Jan./ Feb. 1939 (in der Deutschen Bücherei einsehbar)

eigene Skizzen zum Ostbad, eigene Fotos

eigener Stadtplan-Ausschnitt 1929 und Lage-Skizze auf einem aktuellen OpenStreetMap-Ausschnitt vom Leipziger Osten

empfehlenswerte Blog-Beiträge:
… über Badegelegenheiten in Neustadt / Neuschönefeld, vom Januar 2015
das neue Rabet, vom Januar 2022, mit einem großzügigen Bäder-Projekt aus dem Jahr 1977

Quellen

Quelle #1: Deutsche Inflation 1914 bis 1923, Wikipedia, online

Quelle #2: Otto Sagan: Festschrift hrsg. aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Schwimm-Vereins „Stern“-Leipzig von 1903 E. V., Verlag Leipzig : Schwimm-Verein „Stern“, 1928, Deutsche Nationalbibliothek (DNB) 1930 B 1850

Quelle #3: Stadtarchiv Leipzig, Stadtverordneten-Versammlungen, StVuR Nr. 134 und 135 (1924 und 1925)

Quelle #4: Stadtarchiv Leipzig, Bauakten zum Grundstück Neuschönefeld, Konradstr. 25, BauAkt Sign. 19992, 19993

Quelle #5: Betriebsbuch des städtischen Ostbades (zuvor Marienbad) in Leipzig-Neuschönefeld, VEB Städtische Bäder / StäBäder Nr. 219

Statistische Jahrbücher der Stadt Leipzig, 6. Jahrgang 1919-29, 7. Jg. 1929-45, 11. Jg. 1956 und Jg. 23 1992, mit Angaben über das Ostbad, online einsehbar unter LZ 310 in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Quelle #6: Ostbad, Konradstraße 25, Schwimmbad Bd. 1 und Bd. 2, VEB Städtische Bäder / StäBäder Nr. 119 und 120

persönliche Mitteilungen

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2 Gedanken zu “Ostbad-Geschichten (2)

  1. Lieber Harald,
    schön von Dir aus dem Himmel etwas zu lesen.
    Nur schade, dass die Recherchen aufhören.
    dennoch für Dich RIP
    PH

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