das neue Rabet

Im letzten Beitrag ging es um eine heutige Straße im Leipziger Osten und um eine vermutlich alte Flurbezeichnung im Nordosten von Leipzig mit dem merkwürdigen Namen Rabet.
Dazu hatte ich Karten, Berichte und Quellen vorgestellt, die auf das Rabet hinweisen und den Beitrag mit fabelhaften Anmerkungen abgeschlossen.
Aber, wie kam es zu heutigen Freizeitpark Rabet?
Ab dem Jahr 1976 begann im Leipziger Osten mit dem Flächenabriss in Neuschönefeld die Anlage eines neuen Rabets als Freizeitpark. Und das war, wie ich im Folgenden zeigen werde, nicht minder spektakulär und bisweilen auch fabelhaft …

Das nebenstehende Bild habe ich Ende des Jahres 1975 aufgenommen, als wir in der Melchiorstr. 14, in Neuschönefeld, unsere erste ,,Wohnung“ bezogen hatten.
In der Bildmitte am grünen Tor ging es zum Hofeingang dieses Hauses. Das war damals für uns nicht sehr idyllisch, auch wenn dieses Gebiet heute zwischen Bäumen und grünen Wiesen etwa inmitten des Freizeitparks Rabet liegt.

Ab dem Jahr 1976 müßten auch die ersten Planungen für die Umgestaltung der Leipziger Ostvorstadt im Büro des Chefarchitekten der Stadt Leipzig begonnen haben.

Anmerkung: Im Unterschied zu heute umfasste der Begriff Ostvorstadt zu DDR-Zeiten die Stadtgebiete von Neuschönefeld, Neustadt sowie Teile von Volkmarsdorf und Reudnitz. Die stadtnah gelegene heutige Ostvorstadt wurde damals als innere Ostvorstadt bezeichnet – das kann natürlich zu Fehlinterpretationen führen …

Wie erfolgte damals die Umgestaltung der Ostvorstadt und wie haben wir das als Betroffene miterlebt? Das möchte ich hier in der für uns erlebten Reihenfolge kurz wiedergeben.

Zurück zu unserer Wohnung in der Melchiorstraße. In der Zeitspanne vom Herbst 75 zum Frühjahr 76 gab es ringsum immer mehr leere Häuser und einige davon wurden auch abgerissen. Offizielle Mitteilungen, in denen von einem Aufbaugebiet gesprochen wurde, gab es nur selten. Kurz vor Ostern 76 kam eine Mitarbeiterin von der Wohnraumlenkung ins Haus und eröffnete uns vier Mietparteien, dass das Gebäude abgerissen würde und wir besseren Wohnraum bekommen würden. Zu Ostern waren wir dann zwar umgezogen, aber wesentlich besser war die Wohnung in der nahegelegenen Schulze-Delitzsch-Straße auch nicht.

Im Laufe des Jahres 1976 wurden schließlich die meisten Gebäude in der Melchiorstraße abgerissen. Was auf der Fläche dort vorgesehen oder geplant war, entzog sich unserer Kenntnisnahme. Bürgerbeteiligung war zu DDR-Zeiten kein Thema. Es wurde vieles unter Verschluss gehalten, dann konnte sich auch keiner beschweren, wenn es mal nicht so geklappt hatte, weil es ja nicht offiziell war …

Im Juni 1977 habe ich durch Zufall einen Artikel über einen Freizeitpark ,,Rabet“ in der Zeitschrift Architektur der DDR gelesen. Der enthielt auch den folgenden interessanten Artikel und Gestaltungsplan für einen großen Teil des früheren Neuschönefelder Gemeindegebiets:

Im Nahbereich des Zentrums Ernst-Thälmann-Straße entsteht zur Zeit bis 1980 ein Freizeitpark auf einer Fläche von 4,3 ha. Dazu sind Abriss und die Verlagerung von 565 WE und 3.180 m² Bruttogeschossfläche für Gewerbe notwendig. [Quelle #1]

Darüber hatte ich hier im Blog bereits in den Jahren 2014 und 2016 berichtet – Ihr könnt ja nochmals reinschaun (siehe untenstehende Angaben).

Im Februar 1978 wurde schließlich in der LVZ [Quelle #2] eine ansprechende Grafik vom neu zu schaffenden Freizeitpark ,,Rabet“ abgedruckt.

Nach und nach, bis in die 1980er Jahre hinein, wurde diese Vorlage zum Teil vereinfacht umgesetzt. Der Marktplatz auf dem Otto-Runki-Platz wurde damals nach Bevölkerungsprotesten nicht zugepflastert, sondern als Grünfläche gestaltet. Kontrovers – heute haben die ,,Grünen“ die Wiederbebauung dieses Platzes durchgesetzt. Es sind eben viele Jahre vergangen …

Allerdings: der neue Freizeitpark umfasste mit seiner Fläche von 4,6 ha nur einen kleinen Teil vom früheren Namensgeber Rabet (mit 50 ha). Mehr ein ,,Rabet-chen“ …

Aber, die ursprüngliche Planung sah ganz anders aus – war fabelhafter.
Ende der 1970er Jahre erhielt ich von einem guten Freund Einblick in einen Bebauungsleitplan Ostvorstadt aus dem Büro des Chefarchitekten der Stadt Leipzig vom 20. August 1977. Daraus möchte ich hier eine von mir etwas illustrierte erstaunliche Teilskizze zeigen, aus der die ursprünglichen Ideen und der Gesamtumfang des ehrgeizigen Projekts ersichtlich wird. [Quelle #3]

Auf dem hier gezeigten und von mir kommentierten Teil vom Gebiet zwischen der (damaligen) Ernst-Thälmann-Str. im Norden, der Hermann-Liebmann-Str. im Osten und der Kohlgartenstr. im Süden wurde eine Gesamtlösung für Wohnen, Freizeit und Verkehr präsentiert, die bis heute unübertroffen bleibt.

Und was sollte dort und im Umfeld nicht alles gebaut werden – klickt mal drauf, dann könnt Ihr in einem neuen Fenster viele interessante Vorhaben sehen:
– ein erweitertes Ostbad,
– ein erweitertes Kino Wintergarten,
– ein zusätzliches Hallenbad,
– die im Süden verlaufende Ostradiale für den Hauptverkehr sowie
– eine südliche Freizeitparkerweiterung über die frühere Ritzschkenaue hinaus.
Alles sehr ambitionierte Ziele!

Allein der hier vorgestellte Anteil der Grünflächen mit über 20 Hektar kommt auf etwa die Hälfte der Fläche der früheren Rabet-Flur (Ihr erinnert Euch: 50 Hektar). Das hätte dann wirklich den Namen ,,Rabet“ verdient gehabt. Ich habe das hier in den zwei folgenden Kombi-Skizzen als Lagevergleich vom ,,alten“ zum Projekt des ,,neuen“ Rabet vom Jahr 1977 gegenüber gestellt. Das gefällt mir!

_
Lagevergleich – links: Flur ,,altes Rabet“ (1775) / rechts: Projekt Freizeitpark ,,neues Rabet“ (1977)

Neben großzügigen Abriss von alter Bausubstanz sollten aber auch typische Häuserzeilen an der Ernst-Thälmann-Straße (Boulevard Ernst Thälmann und heute wieder Eisenbahnstraße) erhalten und saniert werden. Und wenn man genau hinschaut – ein Teil der Neubebauung wurde im Bereich des Freizeitparks Rabet realisiert.
In groben Zügen sollten diese Projekte bis Ende der 80er Jahre realisiert sein. Utopie, wie wir heute wissen.

Zurück zur Realität. Ab dem Jahr 2001 wurde der Konzeptionelle Stadtteilplan Leipziger Osten erarbeitet, in dem Erweiterung und Neugestaltung des Parks vorgesehen war und im Zeitraum von 2004 bis 2007 umgesetzt wurde.

Die Parkfläche vergrößerte sich bei der Erweiterung um etwa 3 ha auf 9,6 ha durch Grundstückszukäufe und Häuserabrisse an den Rändern des Parks.
Hinzu kamen drei Karrees zwischen der Konrad- und der Eisenbahnstraße im Norden sowie zwischen der Marthastraße und der Straße Rabet im Süden.

Fazit

Das Rabet ist zweifellos ein historisch interessanter Ort und zum Teil ist es mit der Gestaltung eines Freizeitparks gleichen Namens auch gelungen, die Erinnerung an Bäume, Wiesen und Natur zwischen grauen Häuserschluchten wiederzuerwecken.
Vom alten Neuschönefeld bei Leipzig in seinen historischen Gemeindegrenzen ist jedoch nicht viel übriggeblieben. Nach den Flächenabrissen in den 1970er und 1990er Jahren gibt es dort heute nur noch 30 der ehemals etwa 240 Wohnhäuser.

Und, was ich noch gezeigt habe: fabelhafte Sachen sind mitunter auch nicht schlecht …


Literatur- und Quellenangaben

Literatur

Blogbeiträge:

Informationen zum heutigen Freizeitpark Rabet, online aus Wikipedia

aktuelles Kartenmaterial zu Vergleichszwecken aus OpenStreetMap (osm),
eigene Kartenskizzen,
Fotos aus eigenem Archiv Zeitraum 1975, 1980, 1995

Quellen

Quelle #1: Architektur der DDR, Heft 6/1977, S. 349/350 Bebauungskonzeptionen für ausgewählte Bereiche, Freizeitpark Rabet

Quelle #2: Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom Freitag, den 24.02.1978

Quelle #3: Büro des Chefarchitekten der Stadt Leipzig, Beispielplanung Ostvorstadt, Teilgebiet 1, Bebauungsleitplan, 20.08.1977, damals von einem anonymen ,,Flüsterer“ erhalten – heute „Whistleblower“ genannt …

3 Gedanken zu “das neue Rabet

  1. Hallo Harald,
    Es ist immer wieder erstaunlich was Du immer noch wissenswertes findest.Dein Fleiß ist unbezahlbar.Bessonders für mich der mal in der Jonas Str. und der Neustädter Str.gewohnt hat kommen viele Erinnerungen zurück. Leider zählt die Gegend um die ehemalige Ernst Thälmann Str.mit zu den Problemvierteln von Leipzig. Gibt es einmal ein Buch mit Deinem fundierten Wissen? Liebe Grüße Peter

    Like

  2. Pingback: Ostbad-Geschichten (2) | in stillem Gedenken an Harald Stein

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..