Aus Newcastle in NSW (Newsouthwales) / Australien habe ich noch ein paar Bilder vom Leipziger Osten erhalten, die von Sean P. im Jahr 1990 im Bereich der Kreuzung Hermann-Liebmann-/ Erich-Ferl-Straße aufgenommen wurden. Wo könnte da welches Haus gestanden haben?
Problem: in diesem Gebiet gib’s heute zum großen Teil keine alten Häuser mehr, eigenen Aufnahmen hab ich damals an dieser Ecke nicht gemacht und auf den Bildern anderer Fotografen sind meist nur wenige Orientierungshilfen wie Hausnummern oder -inschriften erkennbar. Deshalb versuche ich im Folgenden eine, zugegeben etwas schwierige, Zuordnung …
Allein im östlichen Straßenabschnitt der Liebmannstraße zwischen der Ferlstraße [heute wieder Wurzner Str.] und der Bogislawstraße gab es früher eine stattliche Anzahl von 17 Hausgrundstücken. Die meisten davon wurden bis zum Ende der 1980er Jahre noch zu DDR-Zeiten abgerissen. Auf einem Luftbild aus dem Jahr 1990 kann man nur noch die beiden Randgebäude zur Wurzner und zur Bogislawstraße erkennen – alle anderen Gebäude waren bereits abgerissen.
Zum Glück kann ich aber auch auf interessante Bilder zurückgreifen, die von Sean Plunkett, Lutz Göschel und Bert Hähne im Zeitraum von 1987 bis 1991 in diesem Bereich aufgenommen worden sind.
Zuerst zu den Bildern von Sean Plunkett. Er wohnte damals in der Lilienstraße Nr. 27 an der Ecke Lilienstraße / An der Rietzschke [heute: Marcusgasse]. Da konnte er schnell durch diese ,,Schlippe“ zur Liebmannstraße rüberlaufen. Dabei könnten z.B. die folgenden Bilder der Abbruchhäuser an der ,,unteren“ Liebmannstraße entstanden sein.
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Im linken Bild sind [nach meinen Recherchen] Abbruchteile der Gebäude Hermann-Liebmann-Str. 2 und 4 zu sehen – im rechten Bild die oberen Etagen der Nr. 2. Vor den Häusern sind Schienen und Oberleitung der (Südring-)Straßenbahnlinie ,,22″ zu sehen, die bis zum Jahr 2001 zwischen Connewitz/Dölitz und Thekla verkehrte. Im Bereich der ersten Häuser an der Hermann-Liebmann-Straße geht’s nach der Kurve an der Einmündung Liebmann-/ Ferlstraße wie man im Bild sehen kann ein Stück ,,bergauf“.
Hermann-Liebmann-Str. 2 (Brandkataster-Nr. 37, Volkmarsdorf Abt. A)
Dieses große Mietshaus stand fast an der Ecke zur Ferlstraße. Dem Leipziger Adressbuch des Jahres 1949 kann man entnehmen, dass sich im Erdgeschoss seit vielen Jahren das Betten-Spezialgeschäft mit Bettfedern-Reinigung von Heinrich Rohr befand – Inhaber waren im Jahr 1949 lt. Leipziger Handelsregister (A5266) Frieda Wilke geb. Platz und Karlheinz Schneider. Diese Bettfedern-Reinigung hat es mindestens noch bis Mitte der 1960er Jahre gegeben, siehe auch weiter unten im Text. Zur Reinigung kann ich leider nichts berichten, weil wir in Leipzig-Neustadt zu weit weg gewohnt haben – vielleicht weiß jemand mehr dazu …?
Hermann-Liebmann-Str. 4 (Brandkataster-Nr. 38, Volkmarsdorf Abt. A)
Lt. den Einträgen im Leipziger Adressbuch gab es in den 1920er und 30er Jahren in diesem Haus die Buch- und Akzidenzdruckerei von Günther & Co., die aber im letzten Adressbuch der DDR aus dem Jahr 1949 nicht mehr zu finden ist. [Akzidenzdrucksachen = Gelegenheitsdrucksachen, kleinerer Umfang]
Auf nebenstehenden Abbruchbild mit Blick in Richtung Erich-Ferl-Straße [heute Wurzner Straße] kann man außer den beiden Gebäuden Liebmannstr. 2 und 4 am linken Bildrand noch ein Stück eines verputzten Hausgiebels erkennen. Der könnte, meiner Meinung nach, zum Haus Erich-Ferl-Straße 21 gehören.
Das schaun wir uns jetzt mal auf folgendem Bild von Sean P. (links) aus dem Jahr 1990 etwas genauer an. Der Aufnahmestandort liegt, vom letzten Bild aus betrachtet, in Richtung Ferlstraße gleich rechts um die Ecke. Sean hatte von dort aus in Richtung Osten fotografiert. Da kommt gerade eine Tatra-Straßenbahn der Linie ,,13″ aus Richtung Taucha / Torgauer Straße entgegen. Regulär verkehrte diese Bahn nördlich über die Ernst-Thälmann-Straße, auf der aber im Jahr 1990 intensiv Straße und Gleise erneuert wurden [siehe Beitrag und Bilder #1]. Links im Bild ist der Gleisabzweig der Linie ,,22″ in die Hermann-Liebmann-Straße zu sehen, rechts die Wiebelstraße. Und an der Ecke zur Wiebelstraße steht ein etwas kopulenter (Büro-)Polizist am Straßenrand (und sinniert vielleicht über seine Zukunft im vereinten Deutschland …?)
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Auf der linken, stadtauswärtigen Straßenseite sind noch die restlichen Gebäude der ,,Volkmarsdorfer Straßenhäuser“ zu sehen, die sich früher zwischen der Liebmannstraße und der Torgauer Straße erstreckten [siehe Beitrag # 2].
Erich-Ferl-Str. 21 (Brandkataster-Nr. 2, Neusellerhausen Abt. B)
Der verputzte Giebel vom ersten Haus, der damaligen Erich-Ferl-Straße Nr. 21, könnte schon mit dem Giebel am Rand des letzten Bilds (oben) mit den Häusern Liebmannstr. 2 und 4 übereinstimmen.
Aus fast der gleichen Blickrichtung gibt es auch eine Aufnahme von Lutz G., im oberen Bildpaar rechts, dessen Vater in diesem Haus ein Rundfunk-Fachgeschäfts besaß [VEB – Vaters eigener Betrieb, siehe Beitrag #3].
Und, zwei interessante Details der Rundfunk-Ladenbilder:
- auf einem Bild (rechts) aus den 60er Jahren sieht man auf der rechten Seite vom Laden am Hausdurchgang der Nr. 21 ein Schild der ,,Bettfedern-Reinigung ROHR“; offenbar gab es hier einen Übergang zum Hinterhaus der Liebmannstr. 2 und
- auf einem Bild (unteres Bildpaar links)aus dem Jahr 1990 sieht man links neben Laden und Hauswand im Hintergrund noch die Hofseite der Gebäude Liebmannstraße 2 und 4.
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Anmerkung: Die Volkmarsdorfer Straßenhäuser wurden im Jahr 1882 zu Neusellerhausen eingemeindet, daher wurden diese Gebäude bei den Brandkataster-Zuordnung unter Neusellerhausen, Abteilung B geführt.
Aber, last but not least nochmals zurück in die ,,untere“ Liebmannstraße. Da habe ich noch ein Bild (oberes Bildpaar, rechts) von Bert H. zur Verfügung gestellt bekommen, das im Jahr 1987 so ungefähr von der Einmündung der früheren Straße An der Rietzschke aus aufgenommen sein dürfte – mit Blick nach Norden in Richtung Bergstraße. Hier wurden zur Aufnahmezeit wie es scheint, gerade die Großverbundplatten der Straßenbahnschienen erneuert. Auf der rechten Seite der Liebmannstraße konnte ich folgende Gebäude zuordnen, von rechts nach links:
Hermann-Liebmann-Str. 18-22 (Brandkataster-Nr. 45, Volkmarsdorf Abt. A)
Im Leipziger Adressbuch des Jahres 1949 wird hier im Haus ein Fleischermeister Helmut Flom, die Wäscherei von Curt Winkler und das Friseurgeschäft von Johannes Bartowiak genannt [Bart-owiak – was für ein toller Name für einen Friseurmeister!] . Wenn man das Bild vergrößert, dann kann man mit etwas Fantasie die Ladeninschriften auch im Jahr 1987 noch so zuordnen – super!
Hermann-Liebmann-Str. 24-26 (Brandkataster-Nr. 47, Volkmarsdorf Abt. A)
Laut Adressbuch aus dem Jahr 1949 befand sich in diesem Gebäude das Tabakwarengeschäft von Max Thomas. Ein Laden ist auf dem Bild aus dem jahr 1987 zu erkennen, aber eine genauere Bezeichnung ist nicht zu entdecken.
Auf einem Stadtplan-Ausschnitt aus dem Jahr 1929 habe ich nebenstehend die im Text vorkommenden Gebäude zur besseren Orientierung gekennzeichnet.
Vielen Dank an alle beteiligten Fotografen, die mir Ihre Schätze für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt haben!
Leider sind die meisten der hier gezeigten Bilder keine detailreichen Film-Scans, sondern nur Papierkopie-Scans mit nur begrenzter Auflösung. Aber besser begrenzte Auflösung als gar keine Bilder (!)
- #1 Baustelle Ernst-Thälmann-Straße im Jahr 1990
- #2 Volkmarsdorfer Pflastersteine (Straßenhäuser)
- #3 Volkmarsdorfer Pflastersteine (Nachtrag einer VEB-Geschichte) mit Bildern von Lutz G.
- Mails from OZ (part 1) mit Bildern von Sean P.
- Mails from OZ (part 2) mit Bildern von Sean P.
Auf dem Stadtplan Ausschnitt Bogislaw Str. ist glaube ich eine Volksschule eingezeichnet.
Das muss später die Berufsschule Nahrung-Genuss-Gaststätten gewesen sein. In diese Berufsschule bin ich von 61 bis 64 gegangen. Danke an alle Beteiligten für die Aufklärungen und tollen zeitgeschichtlichen Fotos.
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Tolle Sache! Ja, das Haus stand gleich gegenüber bisschen rechts wenn man von der Gasse hinein lief. Danke für den tollen Antrag. Ich finde das alle hoch interessant wie du es machst. Sean.
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Schau mal, vielleicht hilft es einwenig bei deinen Recherchen
Danke Kai, das schau ich mir im Detail mal an
Gruß Harald St.
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zu dem „Abbruchhaus“ (Foto mit dem Lada) wäre zu sagen, das dieses Haus in der Wendezeit, vermutlich Anfang 90, einfach „auf die Strasse fiel“ .. dann folgte natürlich der Abriss.
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