
Pünktlich zu Halloween kann man heute in der Zeitung vom ,,Leipziger Gruselspaß“ lesen.
Naja, zugegeben, Halloween ist nicht so mein Ding!
Rückblickend möchte ich hier klarstellen, dass es noch vor etwa 35 Jahren, Mitte der 1980er Jahre, in Leipzig schon noch sehr gruselig, aber keineswegs spaßig, zugegangen war.
Und das auch in den Ruinenvierteln des Leipziger Ostens.
Abschreckendes möchte ich heute dazu berichten …
Zu Beginn geht es erstmal um
eine Zeitungs-Karikatur
vom Ende August 1987, siehe Kopie rechts.
Aussage: In der Idastraße ist es gruseliger als in der Geisterbahn auf der Kleinmesse.
Was ist an dieser Aussage so besonders? Das ist doch harmlos, werdet Ihr sagen. Zu DDR-Zeiten war das aber schon ein starkes Stück: öffentliches anprangern von Missstände! Und das dazu noch als Karikatur in der Bezirks-Parteizeitung, der LVZ (Leipziger Volkszeitung). Wie gesagt – damals ein (mutiges) starkes Stück!
Der Teil der älteren Idastraße, um die es hier geht, lag in einem damaligen Vorzeigeviertel der DDR-Staatsführung, dem Roten Osten Leipzigs. Ein immer wieder gern genannter traditionsreicher Wohn- und Versammlungsbereich der Leipziger Arbeiterklasse am Volkmarsdorfer Markt [zu DDR-Zeiten: Ernst-Thälmann-Platz].
Dort verfielen in den 1970er und 1980er Jahren immer mehr Häuser – zunehmend wurde die Gegend zum gruseligen Ruinenviertel.
Das wollen wir uns mal etwas genauer ansehen.
Dieser älteste Abschnitt der Idastraße zwischen der Dornberger- und der Konradstraße wurde zwischen 1862 und etwa 1880 bebaut. Die ältesten, sehr schmalen Häuser, entstanden auf der rechten Straßenseite. [Dornbergerstr. – früher Ewaldstr.]
Das waren die späteren Hausnummern 2 bis 22, siehe Stadtplan-Ausschnitt unten.
Die linke Straßenseite wurde erst Ende der 1870er Jahre bebaut. Bis dahin erstreckte sich vorher noch der große Marktplatz von Volkmarsdorf.
Zu diesen ältesten Gebäuden der Idastraße zählte z.B. auch die
Idastraße 12
Dieses zweigeschossige Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss wurde laut den Bauakten im Jahr 1862 gebaut und war an der Straßenseite nur 8,3 Meter schmal. Den Erdgeschoss-Grundriss mit den kleinen Wohnräumen habe ich in der Abbildung oben rechts skizziert. [Quelle #1]
Dort wohnte um die Jahrhundertwende der in Volkmarsdorf beliebte ,,Volksbasder“ Wilhelm Sparwald im Parterre und der 1. Etage [siehe Blog-Hinweis, unten].
Seit Mitte der 1970er Jahre stand das Haus leer. In einem Schreiben der Gebäudewirtschaft Leipzig, BT (Betriebsteil) Nordost zum Gebäudezustand des Abbruchobjekt Idastraße 12 heißt es Ende November 1983:
Das Wohngebäude ist in allen Etagen frei begehbar. Wetterunbilden wirkten über Jahre hinweg, infolge defekten Daches als auch fehlender Türen und Fenster, uneingeschränkt auf die Gebäudesubstanz ein. Die Mauerwerke, vor allem im Obergeschoß, sind stark angegriffen. Alle Holzbauteile sind aufgeschwemmt und zeigen Fäulniserscheinungen.
Das Grundstück weist starke Plünderungserscheinungen auf, so daß außer der Altziegelgewinnung für Bruchzwecke und bedingter Holzbergung kaum noch mit dem Ausbau von Sekundärrohstoffen zu rechnen ist.
Die im ganzen Grundstück vohandenen Geröll- und Gerümpelablagerungen in großem Ausmaß bedingen vor Beginn der Abbrucharbeiten deren Beseitigung.
Bei Abbruch der Erdgeschoßzone erfolgt der Durchbruch der Kellerdecken sowie die Verfüllung und Verdichtung der Kellerräume. [Quelle #1]
Eine gruselige Gegend!
Als Zweites habe ich ein Wohngebäude im Abschnitt zwischen der (heutigen) Zollikofer- und der Konradstraße ausgewählt, die
Idastraße 15
Dieses dreigeschossige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss stand an der Straßenecke Wilhelm-/Ecke Idastraße, es wurde Ende 1864 gebaut, siehe Gebäudeskizze, unten links. Die Wilhelmstraße heißt heute Zollikoferstraße.
Heute steht an dieser Straßenecke ein Neubau mit den Hausnummern 17, 19 und 21 (Bild rechts) – eine Nr. 15 gibt es nicht mehr.
Aus dem Jahr 1978 habe ich eine Aktennotiz von einem Prüfbescheid zum Gebäudezustand der Idastraße 15 gefunden, nachdem aufgrund der maroden Bausubstanz eine Abbruch-Empfehlung ausgesprochen wurde. Das Haus war schwer vom echten Hausschwamm (Serpula Lacrymans) befallen. Aber vorerst war man offenbar dieser Empfehlung nicht gefolgt. [Quelle #1]
Laut einer Bestandskarte aus dem Leipziger Büro des Chefarchitekten vom Dezember 1985 war zu diesem Zeitpunkt von den sechs Wohneinheiten nur eine nicht bewohnt, Abbildung links. [Quelle #2]
Zwei Jahre später stand auch dieses Gebäude mit der Hofmauer-Aufschrift ,,Villa Ida“ leer, Bild rechts und unten links.
Interessant sind die im Hintergrund sichtbaren Häusergiebel: dabei handelt es sich um die heute noch erhaltenen Gebäude Elisabethstraße 19a und 21. Rechts ist noch ein Teil der ruinösen Konradstraßen-Bebauung zu sehen. [Bilder, siehe persönliche Mitteilungen]
Ja, auch eine gruselige Gegend!
Die Abbildung auf der rechten Seite zeigt als Vogelsicht aus östlicher Blickrichtung die heutige Gebäudelage zwischen der Ida- und der Elisabethstraße.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literaturhinweise
Blogbeitrag Der ,,Volksbasder“ von Volkmarsdorf, vom 2. März 2019
eigener Stadtplan Leipzig 1903 (Stand Juni 1902), Ausschnitt Volkmarsdorf
eigene Grundriss- und Bauskizzen der Häuser Idastr. 12 und 15
eigene Idastraßen-Fotos vom Februar 2022
Quellen
Quelle #1: polizeiliche Bauakten aus dem Stadtarchiv Leipzig:
BauAkt Sign. 9457 zur Idastr. 12 und
BauAkt Sign. 1760 zur Idastr. 15
Quelle #2: Leibnitz IRS (Erkner) / Wiss.Samml., Ausschnitte mit Signatur IRS_A_05_09_28-02 (Karte des Bestandes, Stand Dezember 1985)
Quelle #3: GoogleEarth, Ausschnitt einer Kopie aus dem Leipziger Osten, Vogelsicht nach Westen, 2022 (mit persönlichen Einfügungen)
persönliche Mitteilungen
Von Frank Heinrich habe ich die Kopie einer Karikatur aus der Leipziger Volkszeitung, vom 30. August 1986, zum Thema Idastraße erhalten.
Bert Hähne hat mir aus seinem Bildarchiv zwei Fotokopien der Ruine der Idastraße 15 mit dem Hofbereich der ,,Villa Ida“ aus dem Jahr 1987 zur Verfügung gestellt.
Andreas Hönemann hat mich über die ,,Villa Ida“ und die Zuordnung der alten Häuser/ Ruinen an der Idastraße in Volkmarsdorf aufgeklärt.
Vielen Dank an alle Unterstützer, Bereitsteller und Zuarbeiter!
Mir ist der Hexentanz auch lieber als dieses „neumodisch, kapitalisierte Treiben“, auch wenn ich absolut nicht gläubig bin!
Danke (einmal mehr) für die Aufbereitung und die Bilder 🙂
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