Es gibt doch tatsächlich einen Gold-Medaillen-Gewinner aus Neuschönefeld – auch wenn der Erwerb des Edelmetalls schon ein paar Jahre zurückliegt.
Was dieser Sieger mit einem älteren Foto von der Neuschönefelder Seite der Eisenbahnstraße zu tun hat, wo er dort beheimatet war und wofür er diese Gold-Medaille, siehe Bild rechts, erhalten hatte,
dem möchte ich in diesem Beitrag nachgehen …
Nein, es geht/ging bei dieser Gold-Medaille nicht um Höchstleistungen sportlicher Natur, sondern um technische Meisterleistungen. Auf der großen Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung des Jahres 1897 in Leipzig erhielt eine Firma, die in der Eisenbahnstraße 16/18 beheimatet war, eine Goldmedaille. In der Zeitschrift für Instrumentenbau, vom 21. Oktober 1897 kann nachlesen:
Goldmedaille der Ausstellung – Driver & Töpfer (Nr. 2707), Leipzig-Neuschönefeld für sehr gute Klaviermechaniken. [Quelle #1:]
Die Mechanik-Fabrik für Pianoforte von Driver und Töpfer hatte im Jahr 1897 ihren Firmensitz in der Eisenbahnstraße 16 auf der Neuschönefelder Seite
In den Folgejahren wurde das Firmengelände auch auf das Nachbar-Grundstück Nr. 18 ausgeweitet, so wie es hier auf meinem Plan der Stadt Leipzig und in der Fabrikzeichnung eines Zeitschrifteninserates im Jahr 1907 zu sehen ist.
Aus der Zeichnung kann man drei wichtige Details entnehmen:
1. befand sich die eigentliche Fabrik im langgestreckten Hinterhof des Hauses Nr. 16 mit eigenem Heizwerk,
2. befand sich das Holzlager der Firma im Hof der Hauses Nr. 18 und
3. ist unten links die eingangs erwähnte Gold-Medaille abgebildet. [Quelle #4]
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Zu diesem Grundstück kann man in der Chronik der Gemeinde Neuschönefeld folgendes nachlesen:
Ein neues Etablissement entstand im Jahr 1882, wo die Firma Driver & Töpfer eine Pianoforte-Mechanikfabrik errichtete, die bisher wesentlich vergrößert wurde. Vordem wurden diese Räumlichkeiten zu einer Maschinen- und Drahtseilbahnfabrik von A. Bleichert benutzt und länger vorher zu verschiedenen Zwecken von Geinitz & Richter, Berhardi und seit 1866 von Geimler & Ziegler. [Quelle #2]
In meinem Bildarchiv habe ich noch eine Kopie eines Fotos entdeckt, dass ich Ende der 1980er Jahre von Ernst Wohlrath erhalten hatte. Dieses Foto (linke Seite in der folgenden Gegenüberstellung) hatte Ernst Wohlrath gegen Ende der 1930er Jahre aus Richtung Bussestraße aufgenommen. [Quelle #3]
Darauf sind von rechts nach links die Häuser Eisenbahnstraße 14 mit dem Photo-Optik-Geschäft, Eisenbahnstraße 16 mit der Inschrift ,,Driver & Toepfer“ und einer vorgelagerten ,,Eisdiele“ und der zweite Teil des Häuserpaares, die Eisenbahnstraße 18 mit der Inschrift ,,Pianoforte Mechanikfabrik“ zu sehen. Vor dem Haus Nr. 16 steht ein Kiosk – vielleicht ein Zeitungskiosk?
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Das Foto auf der rechten Seite habe ich am 24. Juni 2019 etwa von der gleichen Aufnahmeposition aus aufgenommen. Heute steht offenbar nur noch das Haus Nr. 14. Das Häuserpaar Nr. 16/18 wurde im Dezember 1943, wie man der Schadenskarte der Stadt Leipzig entnehmen kann von Bomben zerstört.
Jetzt noch ein paar Details zur Firma und den Geschäften, die auf dem alten Foto zu sehen sind:
Pianoforte-Mechanikfabrik Driver & Toepfer
Eisenbahnstraße 16 und 18
Diese Fabrik wurde am 15. Oktober 1882 vom Kaufmann Oscar Driver und dem technischen Leiter Carl Töpfer (später mit ,oe‘ geschrieben) in der damaligen Neuschönefelder Eisenbahnstraße Nr. 6 gegründet (nach der Eingemeindung zu Leipzig wurde daraus die Hausnummer 16). In einem Zeitungsartikel zum 25jährigen Jubiläum der Firma heißt es:
,,Wohl war der Anfang schwer, wohl hemmten Schwierigkeiten aller Art den ersten Entwicklungsgang des kleinen bemessenen Betriebes, der die Herstellung von Pianoforte-Mechaniken als Spezialität aufgenommen hatte; allein nach Überwindung der ersten Hemmnisse reihte sich rasch Erfolg an Erfolg. Die deutsche Pianoforte-Industrie erkannte bald die Güte des Fabrikats, lernte seine Vorzüge schätzen und sah mit Befriedigung in den Erzeugnissen des Etablissements Driver & Toepfer tadellose Arbeit mit solider Ausführung vereint.“
Im Jahr 1897 schied Oskar Driver aus der Firma aus und Carl Toepfer wurde alleiniger Inhaber. Das Geschäft florierte, die Firma erweiterte sich ab dem Jahr 1901 auch auf das Nachbar-Grundstück Nr. 18 und zählte zu dieser Zeit etwa 100 Mitarbeiter.
Als Carl Toepfer im April 1922 70jährig starb, hieß es in einem Nachruf:
,,Deutsche Gründlichkeit und Peinlichkeit, vereinigt mit der leichten Spielart des französichen Systems, verhalfen dem Erzeugnis der Firma gar bald zu beachtlichem Erfolg … Der ein und für allemal als richtig erkannte Grundsatz, nur die beste und gediegenste Ware zu liefern, brachte das Unternehmen in kurzer Zeit mit den bedeutendsten Firmen der Klavierbranche im In- und Ausland in rege Geschäftsverbindung, die sich dann zu langjährigen Geschäftsfreundschaften ausgestalteten.“
Im Jahr 1921 wurde sein Sohn Wolfgang Toepfer Teilhaber der Firma. Er hat sie nach dem Tod von Carl Toepfer als alleiniger Inhaber bis 1943 weitergeführt. Der Blick in die Leipziger Adreßbücher zeigt allerdings in den 1930er Jahren einen Niedergang der Firma Driver & Toepfer.
Ab dem Jahr 1936 hieß die Firma nur noch Driver & Toepfer Holzwaren, ist auf das Haus Eisenbahnstraße 18 beschränkt und in den Jahren von
1938 bis 1941 kann man im Adreßbuch in der Eisenbahnstraße 18 nur noch den Eintrag lesen: Toepfer, Wolfgang, Holzwfbrk. [Holzwarenfarbrikant] und in den Jahren 1942 und 43: Toepfer, Wolfgang, Möbeltischlerei. Im Dezember 1943 werden die Gebäude in der Eisenbahnstraße 16 und 18 wie bereits erwähnt zerstört. [Quellen #4 und #5]
Photo-Optik Goerg Legner
Eisenbahnstraße 14
Ein Foto-Fachgeschäft läßt im Erdgeschoss der Eisenbahnstraße 14 lt. Leipziger Adreßbuch bis zum Jahr 1924 zurückverfolgen. Zuerst ist dort ein ,,Optik-Institut“ von Georg Legner vermerkt, später heißt der Geschäftsname wie auf dem Foto einfach ,,Photo-Optik“.
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Georg Legner inserierte auch Ende der 1920er Jahre im Heft ,,Der Arbeiterfotograf“, das in einem Berliner Verlag erschien.
Das Geschäft läßt sich bis zum Jahr 1943 auf der Eisenbahnstraße nachweisen, nach 1945 gibt es in den letzten Leipziger Adreßbüchern keinen Photo-Legner mehr. [Quellen #5 und #6]
Eisdiele ,,Leckermäulchen“
vor dem Haus Eisenbahnstraße 16
In diesem Flachbau gibt es lt. Leipziger Adreßbüchern seit dem Jahr1933 eine Eisdiele. ZuerstNa, das ist ja lustig: oben im Schaufenster der kleinen Eisdiele ist ein Schild zu sehen, auf dem ich das Wort ,,Leckermäulchen“ entziffert habe. Vielleicht kennt noch jemand diese Eisdiele und kann dazu was Genaueres sagen?
Bis zum Jahr 1937 gehörte die Eisdiele Marie Gérard, danach wurde sie von Gertrud Schrader bis zum Jahr 1941 weitergeführt. Ab 1942 ist die Eisdiele in den Adreßbüchern nicht mehr nachweisbar. [Quellen #5]
Quellenangaben:
Quelle #1: Zeitschrift für Instrumentenbau, Leipzig, 1897, Nr. 3, vom 21. Oktober 1897, S. 52
Goldene Medaillen der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, Leipzig 1897
online: https://www.digitale-sammlungen.de/index.html?projekt=1153295428
Quelle #2: Weißbach: Geschichte der Gemeinde Neuschönefeld, 1890, X. Gewerbs-, Fabrik-, Handels- und Verkehrswesen, S. 22
Quelle #3: Foto mit Straßenabschnitt Eisenbahnstr. 14 bis 18 vom Ende der 1930er Jahre, im Jahr 1988 von Ernst Wohlrath, Schönefeld erhalten
Quelle #4: Zeitschrift für Instrumentenbau, Leipzig, 1907, Nr. 2, vom 11. Oktober 1907
S. 37/38: Zum 25jährigenGeschäftsjubiläum der Pianoforte-Mechanik-Fabrik Driver & Toepfer in Leipzig-Neuschönefeld und Geschäftsanzeige
und Zeitschrift für Instrumentenbau, Leipzig, 1922, Nr. 26/27, vom 15. Juni 1922 zum Tod von Carl Toepfer, online, siehe oben
Quellen #5: Leipziger Adreßbücher, Ausgaben 1895 bis 1943, Druck und Verlag August Scherl, Leipzig
online: http://adressbuecher.sachsendigital.de/suchergebnisse/adressbuch/Book/list/leipzig/1895/ bis
http://adressbuecher.sachsendigital.de/suchergebnisse/adressbuch/Book/list/leipzig/1943/
Quelle #6: Zeitschrift Der Arbeiterfotograf, Berlin, August 1929, S. 183, online: http://www.arbeiterfotografie.de/archiv/arbeiterfotograf/der-arbeiterfotograf-1929-08.pdf