Lukasstraße 3

Auf der rechten Straßenseite der Lukastraße im Leipziger Osten kann man heute mit Blick von der Dornbergerstraße in Richtung Norden die DDR-Neubauten mit den geraden Hausnummern 2 bis 14 sehen, siehe Bild rechts.

Eine Nummer 3 – gibt es hier nicht (mehr).
Was es mit diesem Haus auf sich hatte, wann es gebaut wurde, wo es gestanden hatte und warum es abgerissen werden musste – dazu mehr in diesem Beitrag …

Der ursprüngliche Marktplatz von Volkmarsdorf war bis Mitte der 1870er Jahre mit einer Fläche von 1,24 ha mehr als doppelt so groß wie heute (0,49 ha).
Das kann man zum Beispiel einer alten Karte der Flur Volkmarsdorf aus dem Jahr 1875 entnehmen [Quelle #1]. Aus meiner Skizze, Bild unten links, könnt Ihr entnehmen, dass der Marktplatz in Richtung Osten damals noch bis zur Idastraße reichte.

Ab dem Jahr 1876 gab es aber erste Bestrebungen, den großen Platz durch eine neue Straße zu teilen und die östliche Teilfläche zu bebauen. Auf der Skizze habe ich den Verlauf der neuen, noch unbenannten Straße, gestrichelt eingezeichnet.

Erläuterung zu Straßennamen:

  • Wilhelmstraße – heute: Zollikoferstraße
  • Ewaldstraße – heute: Dornbergerstraße [siehe auch unten, unter Verweis].
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Aus den Bauakten zum Grundstück Lukasstr. 3 habe ich entnommen, dass ein erster Bauantrag zu einem Wohnhaus mit Waschhaus vom Zimmermann und Bauunternehmer Carl Ernst Hempel im November 1876 eingereicht wurde.
Nach dem angelegten Situationsplan sollte die Straßenfassade wie oben rechts in einer Skizze dargestellt aussehen [Quelle #2].
Das Haus wurde im Jahr 1877 fertiggestellt und zunächst als Volkmarsdorf, Markt Nr. 110, später als Markt(-straße) 3 bezeichnet. Es zählte zu den ersten und damit ältesten Gebäuden auf dem neu bebauten Areal zwischen der Markt- (Lukas-) und Idastraße.
In der Flurskizze, oben links, habe ich die Grundstückslage mit einem roten Kreis gekennzeichnet.

Besitzer des Grundstücks Marktstr. 3 war bis zum Jahr 1888, laut vorliegender Adressbücher, der bereits genannte Zimmermann Ernst Hempel.
Das Restaurationslocal im Parterre des Hauses wurde vom Gastwirth Hermann Natho betrieben, der ab dem Jahr 1890 bis 1896 auch Hausbesitzer wurde. Aus der folgenden Skizze des Parterre-Grundrisses des Gebäudes ist die Lage des Restaurants und dessen Zugang über die Haus-Durchfahrt zu erkennen. Anmerkung: im Jahr 1911 wurde der Zugang zum Restaurant vom Hausflur nach der Straßenseite verlegt [Quelle #2].

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Das Restaurant trug die Bezeichnung „zum Rathskeller“ bzw. „Ratskeller“. Über den Zeitpunkt der Benennung konnte ich keinen direkten Bezug finden. In der Jahresend-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung aus dem Jahr 1905 habe ich eine Glückwunsch-Anzeige an die Gäste des Volkmarsdorfer Ratskellers gefunden [Quelle #3].

Auf einem älteren Foto der Volkmarsdorfer Lucas-Kirche (um 1900) ist im Detail neben dem Kirchenportal das Haus Lucasstr. 3 zu mit der Fassaden-Inschrift zum Rathskeller zu erkennen, Bild unten rechts.

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Das Gebäude Lucasstr. 3 etwas versteckt am Rande von zwei Kirchenbildern:
links aus dem Jahr 1896 [Quelle #4], rechts von einem Ansichtskarten-Foto um 1900.


Ab Ende Juli 1894 wurde die Volkmarsdorfer Marktstraße in Lucasstraße/ ab 1905 statt mit „k“ geschrieben, umbenannt.

In den Jahren von 1898 bis 1908 werden in den Leipziger Adressbüchern als Hauseigentümer der Lukasstr. 3 Herr M. und später seine Witwe P. Gröger [auch Groeger] angegeben. Das Restaurant wechselte in diesem Zeitraum fast jährlich den Schänkwirt.

Im Zeitraum von 1909 bis 1919 war der Steinsetzer Friedrich Klein Hauseigentümer der Lukasstr. 3. In den Jahren 1917 bis 1919 wurde hier keine Gastwirtschaft betrieben.
Das änderte sich erst wieder im Jahr 1920, als die Familie Anna und Paul Vogel Hauseigentümer und Gastwirtsleute wurden. Ab dem Jahr 1922 wurden die Gastwirtschaft und ein Nebengebäude im Hof zur Buchdruckerei umgebaut, die meines Erachtens bis zum 5. April 1945 in Betrieb war.
Bei einem Bombenangriff in den letzten Kriegstagen wurden ein Teil der Lukaskirche und das Haus Lukasstr. 3 als einziges in der unmittelbaren Umgebung des Marktplatzes weitestgehend zerstört. Die Ruine hat dort noch bis zum Ende der 1950er Jahre gestanden.

Schließlich wurde Ende des Jahres 1957 von der zuständigen Abteilung Aufbau des Stadtbezirks Leipzig-Nordost beim Rat der Stadt angefragt, was aus dem Ruinengrundstück am Ernst-Thälmann-Platz werden sollte.

Der Beschluss wurde am 28.4.1958 über den Rat des Stadtbezirkes Nordost der Stadt Leipzig, Abteilung Aufbau an den Hausbesitzer unter dem Betreff Planberäumung des Grundstückes Lukasstraße 3 wie folgt mitgeteilt:

Sehr geehrter Herr Vogel!

Bei einer Überprüfung des durch Kriegseinwirkung zerstörten Grundstückes durch die Abteilung Aufbau beim Rat der Stadt Leipzig – in Verbindung mit der Großraumenttrümmerung und dem Sachgebiet Aufbau des Stadtbezirkes Nordost – wurde festgestellt, daß die noch vorhandenen Ruinenteile nicht mehr aufbauwürdig sind und der gegenwärtige Zustand eine Gefahr für den öffentlichen Verkehrsraum darstellt.
In der weiteren Verbesserung unseres Stadtbildes und der Beseitigung der durch den Krieg hervorgerufenen Zerstörungen macht es sich erforderlich, das Ruinengrundstück planzuberäumen.

Im Oktober 1960 wurde schlussendlich die Abbruchgenehmigung erteilt und die Ruine anschließend ,,planberäumt“.
Damit war das erste in diesem Straßenabschnitt im Jahr 1877 gebaute Haus auch das erste nach über 80 Jahren gewesen, dass hier wieder abgerissen wurde.

Die Neubebauung dieser Straßenzeile erfolgte im Zeitraum von 1987 bis 1990, siehe auch Bild oben.


Literatur- und Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Leipziger und andere alte Adressbücher der Jahre 1880 bis 1943, online SLUB Dresden

eigene Skizzen nach Vorlagen aus diversen Bauakten und Flurplänen und eigenes Foto mit Straßenschild

Quellenverzeichnis

Quelle #1: Stadtarchiv Leipzig, VermA/Flurkarten, Sign. 804, Fluren Volkmarsdorf, Volkmarsdorfer Straßenhäuser und Neusellerhausen – Blatt 4, Ziesche/ Ludwig aus dem Jahr 1875

Quelle #2: Stadtarchiv Leipzig, Acten des Rathes der Stadt Leipzig in Bupolizeisachen, BauAkt Nr. 9425, Lukasstraße 2

Quelle #3: Zeitungsausschnitt aus der Leipziger Volkszeitung, 30. Dezember 1905, online SLUB Dresden

Quelle #4: Zeitungsausschnitt aus der Illustrirten Zeitung, 25. Juli 1896, online ANNO Wien

Verweis zu Beiträgen aus wortblende

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