2. die ersten Wohnhäuser
Wenn man von der Eisenbahnstraße in die Neustädter Straße blickt, dann fällt auf der rechten Straßenseite eine größere Häuserlücke auf. Heute befindet sich an dieser Stelle seit 2014 eine Gemeinschafts-Gartenanlage.
Früher standen hier die alten Häuser der Neustädter Straße 20 und 22. Beide sind aber 1992/93 abgerissen worden. Ist da gar nichts übrig geblieben…?
Schaun wir uns doch mal die Bebauungssituation an der Ecke Ernst-Thälmann [Eisenbahn]-Straße / Neustädter Straße vor 29 Jahren und heute an:
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Bild links: Diese Straßenecke habe ich im Oktober 1987 noch mit vollständiger Bebauung fotografieren können. Ganz rechts das Eckhaus Neustädter Straße 18, im Erdgeschoss eine Obst & Gemüse (HO). Links daneben die alten Häuser in der Neustädter Straße Nr. 20 (BKN 1 – Brandkatasternummer), Nr. 22 (BKN 2) und an der Ecke Ludwigstraße die Haus-Nr. 24 (BKN 3).
Laut dem ,,Flurbuch über das im II. Steuerkreise im Steuerbezirke Leipzig liegende Rittergut und Dorf Schönefeld bei Leipzig“ aus dem Jahr 1840 mit Nachträgen ist am 10.04.1866 unter dem Nachtrag Nr. 72 auf der Feldparzelle Nr. 181h der Neubau eines Wohnhauses durch Julius Ferdinand Müller verzeichnet. Dieses Haus erhielt damals als erstes Wohnhaus die BKN 1. In diesem Haus befand sich in der Vergangenheit eine Gaststätte (Restauration) mit Namen ,,Gambrinus“. Das Haus lag damals direkt am Bahnübergang der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn nach Neuschönefeld, die damals noch durch die heutige Eisenbahnstraße fuhr.
Im Flurbuch folgte am 09.09.1868 unter dem Nachtrag Nr. 85 der Eintrag eines Neubaus auf der Feldparzelle Nr 181 i durch Friedrich August Lägel, später mit der BKN 2 bezeichnet .
Die Häuser in der Neustädter Straße Nr. 20 und Nr. 22 waren damit die ältesten Häuser im Wohngebiet von L.-Neustadt.
Bild rechts: und so sieht’s in diesem Straßenabschnitt heute aus. Im Vordergrund ist der in den Jahren 2013/14 entstandene Gemeinschaftsgarten ,,Querbeet“ zu sehen. Dieser Garten reicht bis unmittelbar an den heute freien Giebel des Hauses Neustädter Straße 18 heran.
Nach dem Abbruch des teileingestürzten Hauses Neustädter Straße 20 habe ich im Oktober 1993 noch ein paar interessante Bilder aufgenommen. Diese zeigen im linken Bild, dass der alte Hausgiebel aus dem Jahr 1866 nach dem Abbruch stehen gelassen werden musste, weil das Nachbarhaus Nr. 18 Ende der 1880er Jahre damals einfach und kostengünstig an das alte Haus ohne zusätzliche Brandmauer angebaut worden war. Das bedeutet: dieser Giebel vom ältesten Wohnhaus der Neustädter Gegend aus dem Jahr 1866 steht heute noch! [etwas hat überlebtdauert!]
Überraschend zeigen sich an der Abbruchseite ein paar Aussparungen bzw. zugemauerte Stellen im alten Mauerwerk, die auf frühere Fenster und Eingangstüren hinweisen könnten. Das Haus hatte auf der Südseite damals offenbar einen freien Giebel mit Blick nach Neuschönefeld und zur Eisenbahnlinie (an der Eisenbahnstraße) …
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Ja, wie könnte die Bebauungssituation damals ausgesehen haben? Dazu habe ich eine Hausgiebel-Aufnahme aus dem Jahr 1993 mit meinem PSE14 (Photoshop)
- ausgeschnitten,
- in der Perspektive rechtwinklig verschoben und
- spiegelbildlich gedreht, um einen Eindruck zu gewinnen, wie das Haus prinzipiell von der Eisenbahnstraße her ausgesehen haben könnte.
- Anschließend habe ich diesen Bildausschnitt in das Bild aus dem Jahr 1987 (Bild oben, rechts) eingefügt und
- das hier rechts gezeigte Bild (rechte Seite) soweit freigestellt, dass man nur noch die Ende des Jahres 1868 dort bereits stehenden Gebäude sehen kann.
In den ,,Acten, die Entstehung des Neuen Anbaus betreffend.“ (Stadtarchiv Leipzig, Abth. 7, Abschn. 1, No. 1) heißt es in einem Eintrag vom 21. Juni 1866:
,, … Nun kommt neuerdings noch hinzu, daß dem Besitzer des an Straße No. 1 bereits fertigen Hauses, Herrn Müller, seitens des königl. Ministeriums des Inneren in letzter Instanz aufgegeben wurde das 4. Gestock seines Hauses wieder abzutragen, weil die Straße nicht die gesetzliche Breite habe,, d. h. nun der Größe des Hauses angemessen.“
Aus diesem Grund habe ich bei der Rekonstruktions-Skizze beim Haus des Herrn Müller auch die obere Etage eingespart 😉
Die vielen Türen an der Hausseite zur Eisenbahn (-straße) könnten ein Zugang von der Restauration ,,Gambrinus“ zum bewirteten Hof / Garten gewesen sein.
Anmerkungen:
Bilder Die Fotos habe ich in den Jahren 1987 und 1993 mit meiner Exakta VX und dem Weitwinkel-Objektiv Lydith 30 mm / F3,5 aufgenommen; die aktuelle Aufnahme erfolgte mit der SLT-Kamera Sony A57 und einem Tamron-Zoom bei 1/125 s, F5, 24 (36) mm und ISO100.
Blog-Literatur
alte Häuserecke in L.-Neustadt zum Haus Neustädter Straße 24 (BKN 3)
der Fall Neustädter Straße 20 Einsturz des Hauses Neustädter Straße 20 (BKN 1) im Herbst 1992
alte Häuser an der Neustädter Straße Vergleich von Fotos April 1990 mit Februar 2015
Historisches über hundertjährige Wohnhäuser in Neustadt Beitrag aus dem Neustädter Markt Journal April/ Mai 1993 mit Lageplan der Neustädter Gegend von 1875 und 1883
Vielen Dank für die (alten)Bilder und die Mühe der Bearbeitung 🙂
MfG
Tom
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