Buddeln an der Moritzbastei, Herbst 1974

Als junge Leipziger Physikstudenten des ersten Studienjahres haben wir im Herbst 1974 als Seminargruppe natürlich auch einen Arbeitseinsatz an der Moritzbastei mitgemacht.

Wer 50 Aufbaustunden leistet, der sollte, so hatten wir gehört, sogar eine Freikarte für Veranstaltungen im späteren Studentenklub bekommen. Weiterlesen

… über Neustädter Verleger

[Im Neustädter Markt Journal, Heft Nr. 25 im Oktober 1994 auf Seite 8 ff. (Henze) und Heft Nr. 41 im Juli 1996 auf Seite 1 ff. (Gaebler) erschienen.]

Historisches über Neustädter Verleger

hist-58dZugegeben, ich bin in alte Karten und Stadtpläne vernarrt. Mit zwölf Jahren erbte ich von einem verstorbenen Onkel einen alten Atlas mit dem Titel ,,Andree‘s allgemeiner Handatlas in sechsundachtzig Karten“, herausgegeben von Velhagen & Klasing 1881 in Leipzig. Mit 30 cm x 42 cm passt er kaum in den Bücherschrank. Aus dem Nachlass meines Großvaters, der hier in Leipzig in den zwanziger und dreißiger Jahren Stadtbaumeister war, erhielt ich im Jahr 1969 einige sehr exakt ausgeführte Stadtpläne, bearbeitet von der ,,Vermessungsabtheilung des Leipziger Tiefbauamtes“, von Giesecke und Devrient in Leipzig herausgegeben ab dem Jahr 1903 und folgenden Ausgaben. Dazu kamen noch einige Stadtpläne aus den zwanziger Jahren, mehrere Wanderführer durch die Leipziger Umgebung und als Clou eine Leipziger ,,Radfahrer-Specialkarte“ mit sehenswertem Jugendstileinband aus dem Jahr 1910, alles herausgegeben von Eduard Gaebler‘s Geographischem Institut, Neustädter Straße 36 in Leipzig-Neustadt.

Über die großen Leipziger Verlage der Vergangenheit wurde schon viel geschrieben – über Gaebler‘s fand ich bisher weder etwas in Büchern noch Zeitschriften, selbst in der Deutschen Bücherei kann man nur ganz vereinzelt Hinweise finden.

Das soll sich aber mit diesem Beitrag ändern.

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der 9. Oktober ’89 in Leipzig

Leipzig, am 9. Oktober ’89

89.10Im Herbst 1989 (vor 25 Jahren) hatte sich die Situation hier in Leipzig in einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Dramatik zugespitzt. Das Geschehen im real erlebten Alltag entfernte sich immer mehr von dem, was die Partei- und Staatsführung der DDR propagierte: die Ulmen im Leipziger Auenwald waren schon lange tot, die Flüsse waren inzwischen Abwässergräben, die Luft war verpestet, die Stadt versank im grauen Staub, die Wohnhäuser verfielen, vom Süden fraßen sich die Bagger in Richtung Stadt und hinterließen Mondlandschaften

Aber, nach dem 40. Jahrestag der DDR, der in Berlin am 7. Oktober mit Pomp und Jubel begangen worden war, deutete alles darauf hin, dass nun auch in der Republik überall „aufgeräumt“ werden sollte, speziell auch mit den Leipziger Bürgerprotesten im Anschluss an die montäglichen Friedensgebete.
Alles das stand am Montag, den 9. Oktober in Leipzig auf des Messers Schneide.

Unser Tag verlief so:

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Leipzig, Ernst-Thälmann-Straße, im Winter ’78/79

- 18 °C

Ende Dezember 1978 hatte Mitteleuropa unter einem dramatischen Kälteeinbruch zu leiden: innerhalb weniger Stunden sanken die Temperaturen auch in Leipzig von etwa + 10 auf – 18 °C.

Unsere Wohnung in der Schulze-Delitzsch-Straße hatte bis auf’s Wohnzimmer nur einfache Fenster, die schnell zugefroren waren.

Um die Temperatur am Außenthermomenter ablesen zu können mussten wir ein Loch durchs Eis hauchen:

– 18 °C !
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Mauersteinchen, November ’89 in Berlin

Mauerst.1

ein Berliner Mauersteinchen, 1989
Hartbeton mit Zement aus Karsdorf

In den Tagen von Mitte Oktober bis Anfang November überschlugen sich in der DDR die Medien täglich mit haaresträubenden Neuigkeiten in den Nachrichten: da war Erich gestürzt worden, ein wendehalsiger Egon wollte alles scheinbar besser machen, fast täglich gab es Rücktritte, ungeahnte Enthüllungen, so ’ne Art Doku-Soap über Wandlitz und auch von „Reiseregelungen“ wurde gesprochen …

Am 9. November wäre da gegen 22 … 23 Uhr eine Radio-Meldung zu einer Reiseregelung von unserem Lieblingssender NDR  beinahe von uns überhört worden.
Das konnte doch nicht stimmen, die Berliner Mauer sollte geöffnet worden sein?

Zuerst dachten wir, dass das nur für Berlin gilt und zum Zweiten hieß es ja auch eine „Zeitweilige Übergangsregelung des DDR-Ministerrates für Reisen und ständige Ausreise aus der DDR“ und das konnte auch bedeuten, dass diese Regelung nach einer Woche wieder aufgehoben werden konnte. Natürlich wollten wir uns das alles nicht entgehen lassen und so beschlossen wir am 18. November mit dem Zug nach Berlin zu fahren.
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Montagsdemo, 13. November ’89

Leipzig, Montag der 13. November 1989

89.11_08pkDer Leipziger Montagabend am 13.11.1989 hatte eine entscheidende Bedeutung, weil sich die Frage stellte: kommt jetzt nach der Maueröffnung in der letzten Woche noch jemand zur Montagsdemo auf den Leipziger Ring oder verflachen jetzt die Regime-Proteste?
Eine mögliche Erwartung der DDR-Staatsführung nach der Maueröffnung war, dass die Demonstranten und Regimekritiker in der „Westen“ gegangen sind oder jetzt zu ihren Westverwandten unterwegs waren oder zum Einkaufen in den Westen gefahren sind. Auch durch eine Vielzahl organisierter Foren und Gesprächsrunden sollten Leute in den großen Städten von der Straße geholt werden.

Ist das aufgegangen? Weiterlesen

… über die Rietzschke, Kohl, Goethe und Napoleon

[Im Neustädter Markt Journal, Heft Juni und September 1995 erschienen.]

Historisches über die Rietzschke

Rietzschke.1860

die Rietzschke auf einem Leipziger Stadtplan, um 1860

Wo soll denn hier eine ,,Rietzschke“ fließen?

Einem aufmerksamen Betrachter des Leipziger Stadtplans fällt der merkwürdig gewundene Verlauf von Wurzner und Kohlgartenstraße, dem Rabet und dem unteren Teil der Hermann-Liebmann-Straße auf. Der Straßenverlauf entspricht der Lage der alten, durchschnittlich 200 Meter breiten Rietzschkenaue. Unbebaute Talreste sind noch heute der Elsapark, das Gebiet am Bernhardiplatz und natürlich der teilweise sichtbare Bachlauf zwischen Zuckelhausen und Sellerhausen im Leipziger Osten.
Wegen zwar aufwendiger, aber zum Teil unsachgemäßer Verrohrung der Rietzschke sind heute viele Kleingärten im Bereich der Kleingartensparte ,,Rietzschkenaue“ (Sellerhausen) überflutet.
Auch so manche feuchte Keller in den Häusern eingangs der Eisenbahnstraße oder der Konstantinstraße erinnern heute noch an die Nähe zum einstigen Rietzschketal.

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